Das Wichtigste im Überblick
- Das Revisionsgericht prüft die Zulässigkeit der Revision, Prozessvoraussetzungen und erhebtene Verfahrensrügen.
- Ein Strafverfahren kann in der Revisionsinstanz bei Eintritt von Strafverfolgungshindernissen oder aus Opportunitätsgründen eingestellt werden.
- Ein spezialisierter Strafverteidiger kann Ihnen zu Ihrem Recht verhelfen.
I. Prüfungsgegenstand
Das Revisionsgericht prüft zunächst alle Verfahrensfragen, die es von Amts wegen zu prüfen hat.
Dazu zählt vorrangig die Zulässigkeit der Revision, d. h. die Beachtung der formellen Anforderungen an die Einlegung und Begründung der Revision.
Weiterhin prüft das Gericht in der Revision vorrangig, ob die Prozessvoraussetzungen vorliegen bzw. ob Prozesshindernisse gegeben sind. Geprüft wird, ob der Angeklagte wegen derselben prozessualen Tat nicht bereits in einem anderen Verfahren verfolgt wird oder bereits verurteilt wurde. Geprüft wird weiterhin, ob einzelne Vorwürfe bereits verjährt sind und ob bei Antragsdelikten ein wirksamer Strafantrag fristgerecht gestellt wurde. Zu prüfen ist weiterhin, ob der Angeklagte nicht verhandlungsunfähig ist oder Immunität genießt und strafmündig ist. Es müssen eine wirksame Anklage und ein wirksamer Eröffnungsbeschluss vorliegen und das erkennende Gericht muss sachlich und örtlich zuständig gewesen sein. Auch das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation stellt darüber hinaus ein Prozesshindernis dar. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung soll im Ausnahmefall ein Prozesshindernis sein.
Ist die Sachrüge auch nur pauschal erhoben, muss das Gericht in der Revisionsinstanz darüber hinaus das gesamte Urteil in sachlich-rechtlicher Hinsicht prüfen. Darunter fällt die Prüfung, ob die Normen, die gewisse Verhaltensweisen unter Strafe stellen und die Normen bezüglich der dafür vorgesehenen Rechtsfolgen zutreffend angewendet wurden. Dazu gehört auch, dass das Gericht die zugrundeliegenden Tatsachen zutreffend und nachvollziehbar darstellt und keine fehlerhafte Beweiswürdigung vorgenommen hat.
Verletzungen des Verfahrensrechts prüft das Gericht in der Revision nur, wenn diesbezügliche Verfahrensrügen formgerecht erhoben wurden. Die Richtigkeit des Revisionsvorbringens wird dabei im gegebenenfalls im Freibeweisverfahren aufgeklärt. Insbesondere werden dazu Erklärungen einzelner Verfahrensbeteiligter von der Staatsanwaltschaft im Zuge der Fertigung Ihrer Gegenerklärung auf die Revision der Verteidigung eingeholt. Sofern dies nicht geschieht, kann das Revisionsgericht dienstliche Erklärungen einholen.
Der weitestreichende Revisionsgrund hat Vorrang in der Prüfung. Darüber hinaus gibt es keine Prüfungsreihenfolge des Gerichts. Wenn eine Rüge zur Aufhebung des Urteils führt, sind weiter erhobene Rügen nicht mehr zu prüfen.
Wird die Revision von der Verteidigung auf einzelne Punkte beschränkt, so begrenzt dies im Übrigen die Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts.
II. Einstellung des Verfahrens
Auch in der Revisionsinstanz kann ein Strafverfahren noch ganz oder teilweise eingestellt werden.
Dies kommt zunächst in Betracht, wenn während des Revisionsverfahrens ein Strafverfolgungshindernis eintritt, wie etwa beim Eintritt absoluter Verjährung.
Darüber hinaus kommen Einstellungen aus Opportunitätsgründen gem. § 153 StPO wegen Geringe der Schuld oder gem. § 153a StPO wegen Geringe der Schuld gegen Auflage in Betracht. Relevant sind weiterhin Einstellungen gem. § 154 und § 154a StPO mit Blick auf andere prozessuale Taten oder tateinheitlich verwirklichte Delikte.
III. Aufhebung des Urteils
Soweit eine Revision Erfolg hat, hebt das Gericht das angefochtene Urteil im Schuldspruch auf, mit den dazugehörigen Feststellungen, und verweist es zurück an einen anderen Spruchkörper des Gerichts, dessen Urteil angefochten wurde.
In aller Regel wird mit der Aufhebung des Schulspruchs auch der Strafausspruch aufgehoben.
Sind Einzelstrafen falsch gebildet worden, so führt dies in der Regel zu einer Aufhebung der Gesamtstrafe.
Soweit der Schuldspruch aufgehoben wird, werden auch die diesem zugrunde liegenden Feststellungen des Urteils aufgehoben. Dies wird in der Regel auch so von dem Gericht in der Revision tenoriert.
Liegen Prozesshindernisse vor, werden die Feststellungen zum Tatgeschehen nur aufgehoben, wenn es sich dabei um Befassungsverbote handelt. Bei Bestrafungsverboten, z. B. bei Rücknahme eines Strafantrags, ist dies nicht der Fall.
Verfahrensfehler führen zur Aufhebung aller davon berührter Feststellungen, wenn sie – wie in aller Regel – den Erkenntnisprozess betreffen. Dies ist z. B. nicht der Fall bei einem Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz in der Hauptverhandlung.
Bei sachlich-rechtlichen Mängeln werden die Feststellungen des Urteils hingegen weitestmöglich aufrechterhalten.
Das Gericht, das nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht erneut mit dem Verfahren in der Vorinstanz befasst ist, ist an die Feststellungen des angefochtenen Urteils gebunden, soweit sie nicht aufgehoben wurden. Eine Beweisaufnahme zu nicht aufgehobenen Feststellungen ist unstatthaft.
IV. Eigene Sachentscheidung des Gerichts in der Revision
In bestimmten Fällen kann das Revisionsgericht auch eine eigene Sachentscheidung treffen.
Raum ist dafür nur, soweit das tatgerichtliche Urteil aufgehoben wurde.
Voraussetzung ist weiterhin, dass hinreichende Feststellungen getroffen wurden, nach der revisionsgerichtlichen Überprüfung bestehen bleiben und auch die Sachentscheidung des Revisionsgerichts tragen.
Eigene Entscheidungen des Gerichts können in der Revision im Beschlusswege und ohne mündliche Hauptverhandlung getroffen werden.
Wenn die Feststellungen des angefochtenen Urteils den Schuldspruch nicht tragen, muss das Gericht in der Revision den Angeklagten freisprechen. Im Fall von nicht behebbaren Verfahrenshindernissen stellt das Revisionsgericht das Verfahren ein.
Weiterhin kann das Revisionsgericht eine nicht in seinem Ermessen liegende Punktstrafe aussprechen. Im derzeit geltenden Recht betrifft dies nur die lebenslange Freiheitsstrafe.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann das Revisionsgericht auch die gesetzlich niedrigste Strafe verhängen oder gar von Strafe absehen, wenn das Gesetz dies für den jeweiligen Straftatbestand zulässt.
Hat das Tatgericht die Strafzumessung fehlerhaft vorgenommen, so kann das Revisionsgericht gleichwohl von der Aufhebung des Urteils absehen, wenn die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolge auch angemessen herabsetzen.
Ist eine Gesamtstrafe falsch gebildet worden, so kann das Revisionsgericht das Verfahren zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung in ein Beschlussverfahren bei dem Tatgericht verweisen. Dies gilt auch für den Fall, dass eine neue Gesamtstrafenbildung aufgrund einer eigenen Sachentscheidung des Revisionsgerichts erforderlich ist.
Darüber hinaus nehmen die Revisionsgerichte auch immer wieder sogenannte „Schuldspruchbereinigungen“ vor, im Zuge der einzelne Schuldaussprüche entfallen oder geändert werden. Immer wieder nimmt der Bundesgerichtshof auch eine Berichtigung des Rechtsfolgenausspruchs vor bzw. hält diesen bei geändertem Schuldspruch aufrecht.
Auch sonst werden von Obergerichten immer wieder Anordnungen im Beschlusswege vorgenommen, so z. B. die Dauer des Vorwegvollzuges bei Maßregeln oder zum Anrechnungsverhältnis von im Ausland erlittener Untersuchungshaft.
Häufig gestellte Fragen
Ja. Es ist immer sinnvoll einen konkreten Revisionsantrag zu stellen, um das Ziel der Revision klarzustellen.
In der Regel führt dies dazu, dass das Gericht in der Revision der jeweiligen Verfahrensrüge den Erfolg versagt. Im Einzelfall kann es jedoch die Revisionsbegründungsschrift im Ganzen auslegen und auf diese Weise einer Verfahrensrüge zum Erfolg verhelfen.
Nein. Das Freibeweisverfahren findet in der Rechtsprechung der Obergerichte seine Grenze im Rekonstruktionsverbot, d. h. die Hauptverhandlung wird im Revisionsverfahren nicht wiederholt. Das Freibeweisverfahren dient im Wesentlichen nur dazu um, Verfahrenstatsachen aufzuklären.
Eine Einstellung wegen Verfahrenshindernissen ist zwingend, aber selten. Eine Einstellung aus Opportunitätsgründen wird vor Allem bei weniger schwerwiegenden Taten in Betracht kommen, d. h. solche Einstellungen sind eher bei den Oberlandesgerichten wahrscheinlich als bei dem Bundesgerichtshof.
Das hängt ganz von der Entscheidung des Revisionsgerichts ab. Das Verfahren wird nur neu verhandelt, soweit der Schuldspruch und die Feststellungen aufgehoben wurden. Wenn Feststellungen in dem angefochtenen Urteil nicht aufgehoben werden, muss hierüber nicht erneut verhandelt werden nach Zurückverweisung des Verfahrens an einen anderen Spruchkörper des Tatgerichts.
Eine eigene Sachentscheidung kann durch das Gericht in der Revision in aller Regel nur auf eine Sachrüge hin erfolgen, da nur bei Sachrügen die Feststellungen des angefochtenen Urteils bestehen bleiben. Diese bilden die Grundlage für die eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts.
Eine eigene Sachentscheidung des Gerichts in der Revision darf für einen Angeklagten nicht so überraschend erfolgen, dass er dadurch in seinen Verteidigungsmöglichkeiten beschränkt wird. Zuvor ist ggf. ein gerichtlicher Hinweis in der Instanz erforderlich. Ansonsten ist das Verfahren von dem Revisionsgericht zurückzuverweisen.
Dieser Fall ist noch nicht vorgekommen. Die Verhängung von Punktstrafen sollte nach dem Willen des Gesetzgebers nur bei Nebenstrafen und Sanktionen im Zoll- und Steuerstrafrecht erfolgen. Es erscheint daher fraglich, ob dies möglich ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 354 Abs. 1a StPO verfassungskonform auszulegen ist. Es verlangt, dass ein lückenloser, wahrheitsorientiert ermittelter und aktueller Strafzumessungssachverhalt“ zur Verfügung steht. Auch muss der Angeklagte darauf hingewiesen werden, dass eine Aufrechterhaltung der Strafe trotz fehlerhafter Bemessung in Betracht kommt. Die Obergerichte setzen sich allerdings immer wieder über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinweg.
Nein. Grundsätzlich darf das Revisionsgericht nur in dem engen gesetzlich gesetzten Rahmen eigene Entscheidungen treffen. Der Bundesgerichtshof bemüht aber immer wieder die Figur der „dem Tatrichter vorbehaltenen Wertungen oder Beurteilungen“ und prüft nur, ob er an einer eigenen Entscheidung gehindert ist, d. h. er unterstellt sich selbst grundsätzlich eine Generalbefugnis.