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I. Die Rechtsmaterie

I. Die Rechtsmaterie

Das IT-Recht ist eine Querschnittsmaterie aus verschiedenen Bereichen des Zivilrechts mit Bezug zu Informationstechnologien.

Mit Fortschreite der technischen Entwicklung verändert sich diese Rechtsmaterie ständig. Der Gesetzgeber kann den Stand der Technik regelmäßig nicht mit der gebotenen Aktualität abbilden. Zu zeitaufwändig sind parlamentarische Prozesse zur Schaffung neuer gesetzlicher Regelungen. Das IT-Recht befindet sich daher in einem ständigen Spannungsfeld zwischen geltendem (de lege lata) und zu schaffendem Recht (de lege ferenda).

IT-Vertragsrecht

Hauptbestandteil des IT-Rechts ist das IT-Vertragsrecht.

Im Bereich IT-Recht ist maßgeblich zwischen Verträgen unter Unternehmen (B2B) und Verträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) zu unterscheiden. Bei Verträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern spielt insbesondere das Fernabsatzrecht eine besondere Rolle, dass Verbraucher besonders schützt, etwa, indem Ihnen ein Widerrufsrecht eingeräumt wird, so dass sie Verträge, die sie online geschlossen haben, leicht wieder lösen können.

Die für die IT-Branche typischen Vertragsarten lassen sich nicht ohne weiteres in die Vertragstypen des Bürgerlichen Gesetzbuches einordnen. Anstatt sie als Verträge eigener Art („sui generis“) zu begreifen, ist die Rechtsprechung regelmäßig bestrebt, rechtliche Probleme, di aus IT-Verträgen resultieren zu lösen, indem sie den jeweiligen Vertrag in eine im BGB geregelte Vertragsart einordnet.

Vertragsarten im IT-Recht

Im Folgenden werden die it-typischen Vertragsarten erläutert.

Immer populärer werden Software as a Service-Verträge (Kurz: „SaaS-Vertrag“).

Hauptmerkmal solcher Verträge ist, dass Software für eine bestimmte Zeitdauer von einem Provider zur Verfügung gestellt wird. Diese kann sowohl mittels lokal oder auf einem Server zu installierender Software geschehen oder mittels Software, die browserbasiert betrieben wird.

Der zugrunde liegende Vertragstypus ist maßgeblich der eines Mietvertrages.

Besondere Regelungsmaterie solcher Verträge ist daher neben einer Vergütung, die an ein Zeitintervall geknüpft wird, die Laufzeit des Vertrages und die Bedingungen, unter denen man sich die Parteien aus dem Vertrag lösen können.

Die Software wird fortlaufend weiterentwickelt. Wenn überhaupt Upgrades oder neue Versionen angeboten werden, sind diese bei SaaS-Verträgen in der Regel nicht mit gesonderten Kosten verbunden. Entwicklungskosten werden über die laufende Vergütung abgebildet. Steigende Kosten des Providers werden über Preiserhöhungen abgebildet.

Verträge über den Kauf von Software werden in der Regel für Standard-Software geschlossen.

Erworben wird dabei von dem Käufer gegen Zahlung nicht nur das Eigentum an derSoftware in physikalischer Form, sei es auf einem Datenträger oder in Gestalt von Installations-Dateien, die heruntergeladen werden können. Erworben werden auch die Rechte zur Nutzung an der Software.

Upgrades und neue Versionen der Software müssen in der Regel vom Kunden kostenpflichtig erworben werden. Wenngleich dies hauptsächlich dazu dient, die Entwicklungskosten abzubilden, sinkt die Akzeptanz von Kunden für dieses Vertragsmodell zunehmend.

Cloud-Computing-Verträge haben die Nutzung von Online-Speicher und – Rechenkapazität zum Gegenstand.

Häufig wurden Software-Miet-Verträge oder Software-Kauf-Verträge mit Cloud-Computing-Verträgen zusammen vertrieben, um so eine Nutzungsgrundlage einerseits für Software und andererseits für eine Cloud-Umgebung abzubilden. Mitunter wurden auch anstatt von Software-Mietverträgen reine Software-Lizenz-Verträge geschlossen, um eine Nutzung von Software in der Cloud vertraglich zu regeln. Vereinzelt finden sich solche Vertragsgestaltungen auch heute noch. Überwiegend werden solche Vertragsmodelle allerdings durch Software as a Service-Verträge abgelöst.

Cloud-Computing findet sich heutzutage eher als Geschäftsmodell zur Bereitstellung von Speicherplatz im Gefüge der Produktlandschaft von Providern, die auch diverse andere Hard- und Software-Produkte anbieten.

Auch bei Cloud-Computing-Verträgen handelt es sich im Wesentlichen um Mietverträge.

Implementierungsverträge haben die Implementierung einer Software zum Gegenstand.

Sie werden meist zwischen Providern und Anwendern abgeschlossen, die Unternehmer sind, d. h. im B2B-Bereich. Wenn ein Anwender bereits eine komplexe Infrastruktur in seinem Unternehmen geschaffen hat und zudem eine serverbasierte Software mit ebenfalls komplexen Strukturen in diese Infrastruktur eingebracht werden soll, sind umfangreiche Arbeiten erforderlich, um die Software erfolgreich zu implementieren.

Einzelne Unternehmen oder Berater haben sich mitunter auf die Implementierung von bestimmter Software anderer Anbieter spezialisiert oder sogar auf die Implementierung nur einzelner Tools einer bestimmten Software.

Nicht selten sind Implementierungsverträge aber auch Bestandteil eines Pakets von Verträgen, wenn ein Anwender zugleich Standard-Software von demselben Anbieter erwirbt und zugelich diesbezüglich auch einen Pflegevertrag abschließt.

Bei Implementierungsverträgen handelt es sich im Wesentlichen um Werkverträge, da dein bestimmter Erfolg, nämlich die lauffähige Implementierung der Software gegen Zahlung geschuldet wird. Voraussetzung für das Fälligwerden der Vergütungsansprüche des Anbieters ist die Abnahme des Werks durch den Anwender.

Individual-Software wird vom Auftragnehmer speziell für den Auftraggeber nach dessen Bedürfnissen erstellt und diesem gegen Zahlung überlassen. Individual-Software kann auch eine App für mobile Anwendungen sein.

Besondere Bedeutung kommt bei diesen Verträgen der Frage zu, ob, wann und unter welchen Bedingungen der Auftraggeber den Quellcode erhält. Für den Auftraggeber wird auch regelmäßig große Bedeutung haben, dass der Quellcode verständlich dokumentiert ist und dass er die Bearbeitungsrechte an der Software erhält, damit er sie von einem Dritte weiterentwickeln lassen kann.

Dies ist nicht nur wichtig für den Fall, dass der Auftraggeber sich vom Auftragnehmer aufgrund etwaiger Unstimmigkeiten lösen möchte. Zu bedenken ist vor allem auch der Fall der Insolvenz des Auftragnehmers.

Auch Individual-Software-Erstellungsvertrag sind Werkverträge. Geschuldet wird eine funktionsfähige Software gegen Zahlung unter der Voraussetzung der Abnahme der Software.

Webseitenerstellungsverträge haben die Erstellung einer Webseite zum Gegenstand gegen Zahlung eines Entgelts hierfür.

Falls eine Webseite vollständig mittels eines Quellcodes („from scratch“) programmiert wird, entspricht die Vertragsgestaltung im Wesentlichen der eines Individual-Software-Erstellungsvertrages. Rein technisch ist die Programmierung einer Webseite schließlich nichts anderes als das Programmieren einer Software.

Zumeist jedoch werden Webseiten unter Verwendung eines Frameworks erstellt, d. h. einer Art Baukasten, der bereits die Wesentlichen Funktionalitäten vorgibt. Ja nachdem, was für Funktionalitäten haben soll, bieten sich unterschiedliche Frameworks zur Nutzung an. Eine Online-Shop hält andere Anforderungen bereit als etwa eine Webseite zur Bewerbung eines Unternehmens.

Auch Webseiten-Erstellungsverträge sind Werkverträge, d. h. das Werk in Gestalt der den Anforderungen des Auftraggebers entsprechenden Webseite wird vom Auftragnehmer geschuldet gegen Zahlung nach Abnahme.

Hardware wird in aller Regel entweder gekauft oder geleast.

Beim Hardware-Kauf erfolgt die Eigentumsübertragung an der Hardware gegen Zahlung des Kaufpreises. Der Verkäufer schuldet dabei die Lieferung einer mangelfreien Hardware im Zeitpunkt deren Übergabe.

Beim Hardware-Leasing erwirbt der Leasinggeber die Hardware vom Lieferanten und stellt sie dem Leasingnehmer zur Verfügung gegen Zahlung einer zeitbezogenen Vergütung. Der Leasingnehmer tritt dabei in die Gewährleistungsansprüche des Leasinggebers gegenüber dem Lieferanten ein.

Pflegeverträge können sowohl die Pflege von Hardware, Software als auch einer IT-Infrastruktur im Ganzen oder ausschnittsweise umfassen unabhängig davon, auf welche rechtlichen Grundlage diese Produkte an einen Anwender überlassen werden.

Pflegeverträgen ist gemein, dass gegen Zahlung die Erbringung von Wartungs- und Supportarbeiten erbracht wird, meist auf Grundlage von zeitbezogenen Pauschalzahlungen, zum Teil aber auch bei Zahlung etwa auf Basis eines Stundensatzes („Time and Material“).

Unterschieden wird dabei in unterschiedliche Supportlevels, die nach der Qualifikation des eingesetzten Personals und der Tiefe der Wartungs- bzw. Support-Leistungen differenzieren.

Support durch Beratung oder Schulung Im Rahmen stellt einen Dienstleistungsvertrag dar, bei dem kein konkreter Erfolg geschuldet wird.

Soweit Wartungsleistungen erbracht werden, die darauf gerichtet sind, dass ein bestimmter Erfolg – nämlich die Funktionalität des zu wartenden Produkts – herbeigeführt werden soll, hat ein Pflegevertrag werkvertraglichen Charakter, d. h. es wird ein konkreter Erfolg geschuldet.

Soweit Wartungsleistungen erbracht werden, obschon auf Grundlage des Vertrags, mittels dessen das zu wartende Produkt an den Anwender überlassen wurde, Gewährleistungsansprüche bestehen, kann es zu einer Vergütung von Mängelgewährleistungsansprüchen kommen, die der Anwender ohnehin hat.

Ein Projektvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass verschiedene it-typische Leistungen miteinander kombiniert erbracht werden.

Im Rahmen eines Systemvertrages mag beispielsweise vollständig die IT-Infrastruktur eines Unternehmens eingerichtet bzw. ersetzt werden, d. h. eine Kombination aus Hard- und Sofwtare wird implementiert.

Ein Projektvertrag kann aber auch schlicht in einer Kombination aus einem Bezug von Lizenzen für Software in Kombination mit deren Implementierung auf einer vorhandenen IT-Infrastruktur bestehen, gleich ob die Software gekauft, gemietet oder ggf. geleast wird.

Ebenso wie ein Projektvertrag eine Kombination aus unterschiedlichen Leistungen ist, wird jede dieser Leistungen im Rahmen einer anderen gesetzlichen Vertragsart erbracht werden. Das Endergebnis in Gestalt der Erreichung des Projektziels wird jedoch regelmäßig im Rahmen eines Werkvertrages als Erfolg gegen Zahlung nach Abnahme geschuldet.

Verträge über die Optimierung einer Webseite, damit diese im Internet besser gefunden bzw. auf Google höher platziert wird (Search Engine Optimization, kurz: „SEO“) und Verträge über die Platzierung von Anzeigen in Suchmaschinen (Search Engine Advertising, kurz: „SEA“) werden in der Regel auf eine gewisse Zeitdauer abgeschlossen, innerhalb derer gegen eine zeitabschnittsbezogene Vergütung diese Leistungen erbracht werden. Kosten der Anzeigen trägt der Kunde zusätzlich selbst.

Die Zielgruppen eines Unternehmens sollen optimal angesprochen werden, um den Umsatz zu steigern.

Wie regelmäßig bei Werbung ist der Effekt grundsätzlich schlecht messbar. Die von den entsprechenden Dienstleistern erstellten Reports sind nur bedingt geeignet, um die Auswirkung der ergriffenen Maßnahmen messbar zu machen.

Bei diesen Verträgen handelt es sich in der Regel um Dienstleistungsverträge, d. h. es wird die bloße Leistungserbringung gegen Zahlung geschuldet, jedoch kein messbarer Erfolg.

Regelungsmaterie

1. Letter of Intent (LOI)

2. NDA (Non-Disclosure-Agreement | Geheimhaltungsvereinbarung)

3. Leistungsbeschreibung

4. Vergütung

5. Wasserfall-Methode | Change Management | Agiles Projekt

6. Nutzungsrechte | Rights of use

7. SLA (Servce-Level-Agreement | Gewährleistunsregelungen)

8. Mitwirkungspflichten

9. Obliegenheiten

10. Open-Source-Software

11. Escrow-Agreement

II. IT-Recht: Die Beratung

Da es sich bei dem IT-Recht um eine Rechtsmaterie handelt, bei der die tatsächlichen technischen Gegebenheiten und auch Üblichkeiten in der Branche häufig nicht von den aktuellen gesetzlichen Regelungen abgebildet werden, sind Gerichtsprozesse regelmäßig besonders risikobehaftet. Eine Ausnahme stellt nur solcher Prozessstoff dar, hinsichtlich dessen sich bereits eine gefestigte Rechtsprechung entwickelt hat.

Die Beratung und Vertretung von Anbietern von Software und anderen IT-Produkten sowie deren Anwendern unterscheidet sich grundsätzlich.

1. Die Interessen

Grundsätzlich wollen Anbieter von Software den Anbietern ein für diese attraktives Produkt zur Verfügung stellen. Sie werden dabei jedoch regelmäßig darauf bedacht sein, ihre Haftungsrisiken möglichst gering zu halten und jederzeit möglichst komfortabel größtmögliche Preiserhöhungen durchführen zu können. Einerseits werden so steigende Kosten im Einkauf von Leistungen und die Produktentwicklung abgebildet. Andererseits soll mit solchen Regelungen auch die Attraktivität für Konzerne gesteigert werden am Erwerb von Gesellschaftsanteilen des Anbieters.

Anwender dagegen verfolgen das diametral gegenüberliegende Interesse, dass der Vertrag mit einem Anbieter Ihnen größtmögliche Sicherheit dergestalt vermittelt, dass das Produkt einerseits ihrem Anwendungsfall gerecht wird, darüber hinaus Mängel bestmöglich beseitigt werden und auch sonst all diejenigen Anforderungen erfüllt werden, die für einen problemlosen Ablauf im Betrieb des Anwenders erforderlich sind. Für den Fall, dass diese Anforderungen nicht erfüllt werden, liegt es im Interesse der Anwender, möglichst problemlos Schadens- oder Aufwendungsersatz erlangen zu können. Zugleich sollen die Kosten möglichst stabil bleiben.

2. Compliance

Dies gegenüberliegenden Interessen folgen bei Kapitalgesellschaften aus den Anforderungen an ein Compliance-System in Unternehmen.

So hat gem. § 43 Abs. 1 GmbHG der Geschäftsführer einer GmbH die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden, für deren Verletzung er gem. § 43 Abs. 2 GmbHG im Fall eines Schadens persönlich haftet. Gleiches gilt gem. § 93 Abs.1, 2 AktG auch für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, die gem. § 91 Abs. 2 GmbH im Übrigen zur Einrichtung einer Compliance-Organisation verpflichtet ist. Für Unternehmen der Finanzwirtschaft gelten im Übrigen die §§ 63 ff. WpHG, 25a, 25e KWG und die Delegierte Verordnung (EU) 2017/565.

Zentral ist im Übrigen § 130 Abs.1 OWiG der dem Inhaber eines Unternehmens oder Betriebs geldbußebewährt Aufsichtsmaßnahmen auferlegt.

Für Einzelunternehmer und Personengesellschaften gilt im Übrigen, dass deren persönliche haftende Gesellschafter allein zur Schonung deren Privatvermögens Aufsichtsmaßahmen im Sinne einer Compliance-Organisation installieren wollen.

3. Anbieter

Die Beratung von Anbietern besteht im Wesentlichen darin, zunächst deren Geschäftsmodell in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw. – je nach Vertriebsmodell – in Standardverträgen abzubilden, die mit den Anwendern abgeschlossen werden.

Soweit mit der Leistungsbeschreibung am sinnvollsten eine Begrenzung der Haftung des Anbieters erfolgen kann, wird er darauf bedacht sein, in diese nur so viel wie nötig und im Übrigen so wenig wie möglich aufzunehmen.

Generell haben Anbieter ein Interesse daran, nicht jeden Vertrag individuell zu verhandeln. Andernfalls entsteht ein „Flickenteppich“ an unterschiedlich ausgestalteten Verträgen, der eine einheitliche Handhabung im Sinne einer Compliance-Organisation unmöglich macht.

Soweit Leistungen von Dritten erworben werden, ist darauf zu achten, dass in den Verträgen mit diesen alle Zugeständnisse, die gegenüber den Anwendern gemacht wurden, abgebildet werden.

Vor Allem Urheberrechte und andere Immaterialgüterrechte müssen an die Kunden des Anbieters weitergereicht werden dürfen. Andernfalls droht eine Inanspruchnahme durch die Lieferanten.

Auch soweit mit einem Service-Level-Agreement gegenüber den Anwendern die Mängelgewährleistung geregelt wurde, sollten sich diese Regelungen in sämtlichen Verträgen mit den Lieferanten des Anbieters wiederfinden. Andernfalls findet der Anbieter sich in einer Situation wieder, in der er seinen Kunden nicht die von ihm geschuldete Mängelgewährleistung angedeihen lassen kann.

Um einzigartig neben Mitbewerbern am Markt dazustehen, wird es sich beim „Zukauf“ von Leistungen im Übrigen regelmäßig empfehlen, eine Exklusivität zu vereinbaren, die Mitbewerber ausschließt.

4. Anwender

Anwender müssen darauf bedacht sein, dass Verträge über IT-Leistungen ihren Anwendungsfall möglichst voll umfänglich abdecken, d. h. gewährleisten, dass sie die Leistungen wie benötigt zur Verfügung gestellt bekommen.

So kann beispielsweise bereits die Verfügbarkeit von Software as a Service mit den Geschäftszeiten des Anwenders kollidieren.

Ggf. sind in der Leistungsbeschreibung des Anbieters wesentliche Funktionalitäten von Software nicht abgebildet, die für den Anwender unverzichtbar sind.

Ggf. bedingt die Implementation von neuer Software aufgrund der Organisation des Unternehmens des Anwenders eine andere Vorgehensweise als in dem Vertragswerk des Anbieters vorgesehen.

Anwender unterhalten dazu häufig unterschiedlichste Verträge mit verschiedenen Anbietern von IT-Leistungen. Aus dem Zusammenspiel des Bezugs von IT-Leistungen von diversen Anbietern, ergeben sich darüber hinaus ggf. besondere Anforderungen an einzelne Verträge.

Ggf. sind urheberrechtliche Bearbeitungsrechte erforderlich, damit Software partiell an individuelle Bedürfnisse des Anwenders angepasst werden kann.

Ggs. ist eine Abstimmung mit anderen IT-Anbietern im Zuge der Implementation der Software erforderlich.

Im Ergebnis werden Anbieter daher regelmäßig versucht sein, individuelle Anpassungen mit Anbietern zu verhandeln, was dort naturgemäß auf Widerstand stoßen wird.

Bereits die rechtlichen Bedingungen für Individualverträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen unterscheiden sich. Darüber hinaus ist auch die Herangehensweise in der rechtlichen Beratung jeweils eine andere.

1. Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. § 305 ff. BGB unterliegen der sog. Klauselkontrolle, d. h. bestimmte Regelungen sind zwar in Individualverträgen gestattet, nicht jedoch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Hauptleistungspflichten und das Verhältnis von Leistung zu Gegenleistung unterliegen der Inhaltskontrolle ebenso wenig wie gesetzeswiederholende Klauseln.

Soweit einzelne Bestandteile von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, gelten an ihrer statt die gesetzlichen Regelungen gem. § 306 Abs. 1, 2 BGB. Inhaltich und sprachlich abtrennbare Regelungen behalten daneben ihren Bestand. Nur im Fall einer dadurch entstehenden unzumutbaren Härte wird ein Vertrag im Ganzen unwirksam gem. § 306 Abs. 3 BGB.

Die Klauselkontrolle wird bei Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einem Vertrag mit einem Unternehmer oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts nur eingeschränkt angewendet gem. § 310 Abs. 1 BGB.

Während Individualverträge im Einzelnen von Vertragsparteien ausgehandelt werden, handelt es sich bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen um vorformulierte Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen. Entscheidend ist also die Absicht der vielfachen Verwendung. Irrelevant ist die konkrete Bezeichnung und die optische Aufmachung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Nicht selten werden anstatt von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Musterverträge verwendet, die jedoch auch Allgemeine Geschäftsbedingungen im Gesetzessinne sind. Verbraucher werden durch das AGB-Recht gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch dann geschützt, wenn Regelungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, der Verbraucher darauf aber keinen Einfluss nehmen kann.

Bei Vertragsschluss müssen bei Verträgen mit Verbrauchern die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich mit einbezogen werden, indem deren Geltung vereinbart wird und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Verfügung gestellt werden.

Damit in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht eine unangemessene Risikoumverteilung zum Nachteil des Vertragspartners stattfindet, müssen Sie unter anderem dem Transparenzgebot genügen.

Gem. § 305c Abs. 1 BGB sind daher sowohl im unternehmerischen als auch im Verkehr mit Verbrauchern überraschende und unklare Regelungen unwirksam.

Daneben sind nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dies ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.

307 Abs. 2 BGB konkretisiert die Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB dahingehen, dass eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel dann vorliegen soll, wenn durch eine Regelung von dem wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung abgewichen wird oder wesentliche Rechte oder Pflichten zum Nachteil des Vertragspartners des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eingeschränkt werden.

Die Generalklausel gem. § 307 Abs. 1 S: 1 BGB kommt allerdings erst zum Tragen, wenn eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel nicht schon gegen § 309 BGB oder § 308 BGB verstoßen hat.

§ 309 BGB enthalt Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit. Es handelt sich dabei um eine „schwarze Liste“ von Regelungen, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verboten sind.

§ 308 BGB ist danach zu prüfen und enthält Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit. Im Gegensatz zu § 309 BGB enthalten die Verbote in § 308 BGB unbestimmte Rechtbegriffe, die eine Wertung im Einzelfall ermöglichen und erforderlich machen.

Im unternehmerischen Verkehr sind Regelungen der §§ 308 und 309 BGB mit Ausnahme von Nr. 1a und Nr. 1b des § 308 BGB nicht anwendbar, auch nicht mittelbar durch die Anwendung der Generalklausel gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

2. Individualvereinbarungen

Individualvereinbarungen unterscheiden sich von Allgemeinen Geschäftsbedingungen dadurch, dass sie zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt werden.

Ob eine Individualvereinbarung vorliegt, ist für jede Klausel eines Vertrages einzeln zu entscheiden. Es kommt jeweils darauf an, ob die jeweilige Klausel im Einzelnen zwischen den Vertragsparteien ausverhandelt wurde. Das Aushandeln als solches kann nicht durch eine vertragliche Regelung ersetzt werden, die etwa bestimmt, dass ein Vertrag in Gänze individuell ausverhandelt worden sei. Ein Aushandeln wird sich in der Regel in einer textlichen Änderung niederschlagen.

3. Vertragsgestaltung in der Praxis

Insbesondere soweit Allgemeine Geschäftsbedingungen geschaffen werden zum Abschluss von Verträgen mit Verbrauchern, ist der beratende Rechtsanwalt gehalten, dabei sämtliche Vorschriften zur Klauselkotrolle zu beachten und umzusetzen. Mit Blick auf die Generalklausel gem. § 307 Asb.1 S. 1 BGB gilt es jede Übervorteilung des Verbrauchers zu unterlassen.

Im unternehmerischen Verkehr ist die Klauselkontrolle nicht ganz so streng, allerdings ist insbesondere aus dem Gesichtspunkt der Generalklausel des § 307 Abs. 1 S. 1 BG jedoch auch eine Übervorteilung von Geschäftspartnern, die Unternehmer sind, zu vermeiden.

Unabhängig von der gesetzlichen Klauselkontrolle ist allerdings auch aus kaufmännischen Gesichtspunkten eine dem Vertragspartner entgegenkommende Gestaltungspraxis durchaus zu empfehlen. Rechtliche Zugeständnisse in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind schließlich auch Leistungsmerkmale von Produkten.

Anwender werden insbesondere bei großvolumigen Projekten geneigt sein, Vertragsmuster und Allgemeine Geschäftsbedingungen zu verhandeln. Mit Blick auf die Klauselkontrolle ist jedoch sorgfältig abzuwägen, welche Klausel verhandelt werden soll. Ggf. liegt aufgrund der konkreten Ausgestaltung einer Klausel bereits deren Unwirksamkeit nahe. Verhandelt man diese Klausel dann und ändert der Anbieter die Klausel nicht wie vom Anwender gewünscht, wird sie durch die individuelle Verhandlung gerade erst wirksam.

Gegen ein Urteil eines Landgerichts oder eines Oberlandesgerichts kann die Revision sowohl von der Verteidigung als auch der Staatsanwaltschaft sowie mit gewissen Einschränkungen durch die Nebenklage eingelegt werden.

Gegen erstinstanzliche Urteile eines Amtsgerichts kann von diesen Verfahrensbeteiligten nicht nur das Rechtsmittel der Berufung sondern auch das Rechtsmittel der sogenannten Sprungrevision eingelegt werden.

Beantragt wird in aller Regel die Aufhebung des angegriffenen Urteils, soweit die Revision nicht auf einzelne Punkte beschränkt wird.

Revisionen in Verfahren, die in der ersten Instanz vor dem Amtsgericht stattgefunden haben, werden vor dem Oberlandesgericht des jeweiligen Bundeslandes verhandelt. Für Revisionen in Strafsachen, die in erster Instanz vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht verhandelt wurden, ist der Bundesgerichtshof zuständig.

Die Revision ist einzulegen binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils durch das Gericht. Sofern diese Frist nicht eingehalten wurde, kann unter engen Voraussetzungen ggf. noch unter Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand eine wirksame Revisionseinlegung erfolgen.

Die Revision kann für einen Angeklagten von einem Rechtsanwalt eingelegt werden. Alternativ kann er auch selbst schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Revision einlegen.

Binnen eines Monats nach Zustellung der Urteilsausfertigung des erkennenden Gerichts ist die Revisionsbegründung durch einen Rechtsanwalt anzubringen. Alternativ kann der Anklagte sie selbst zu Protokoll der Geschäftsstelle geben.

Die Revision kann mittels Sachrügen und Verfahrensrügen erhoben werden.

Mittels einer Sachrüge wird die Verletzung materiellen Rechts gerügt, d. h. das Ergebnis des Instanzprozesses in Gestalt des angegriffenen Urteils. 

Mittels der Verfahrensrüge wird die Verletzung formellen Rechts angegriffen, d. h. – verkürzt ausgedrückt – das Zustandekommen des angegriffenen Urteils.

Eine Besonderheit ist insoweit die Rüge der Beweiswürdigung, bei der es sich im Ergebnis um eine Verfahrensrüge handelt, die jedoch als Sachrüge erhoben wird.

Während zur Erhebung der Sachrüge eine pauschale Rüge grundsätzlich ausreicht, ist zur Erhebung der Verfahrensrüge der Vortrag sämtlicher Tatsachen erforderlich, die diese nachvollziehbar machen.

Nur bei Verfahrensrügen gem. § 338 StGB ist kein Vortrag dazu erforderlich, warum das Urteil auf der Rechtsverletzung beruht. Ein sog. Beruhen ist gegeben, wenn das Urteil bei richtiger Rechtsanwendung (mit Sicherheit oder auch nur möglicherweise) anders ausgefallen wäre. Sowohl bei Sachrügen als auch Verfahrensrügen, die auf relative Revisionsgründe gestützt werden (§ 337 Abs. 1 StGB) ist Vortrag zum Beruhen erforderlich. Darzustellen ist, dass der die fehlerhafte Rechtsanwendung kausal für die Entscheidung geworden ist.

Das Revisionsgericht erhält ausschließlich das Urteil und kann mittels dessen nur prüfen, ob das Recht richtig angewendet wurde und damit ohne weiteres nur über eine Sachrüge entscheiden.

Eine Verfahrensrüge ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so zu verfassen, dass sie die den Verfahrensfehler begründenden Tatsachen so genau und so vollständig bezeichnet, dass das Gericht allein anhand der Revisionsbegründung prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt.

Wurde die Revision verspätet eingelegt oder begründet, wird sie als unzulässig zurückgewiesen.

Grundlage der Revisionsbegründung sind grundsätzlich das angegriffene Urteil und die Verfahrensakten, soweit sie mit einer Verfahrensrüge vorgetragen werden.

Das Revisionsgericht erhebt in aller Regel selbst keinen Beweis.

Ergeben sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll selbst Lücken oder Widersprüche, so geht das Revisionsgericht in das Freibeweisverfahren über und nutzt sämtliche verfügbaren Erkenntnisquellen, um zu prüfen, ob der Revisionsvortrag erwiesen ist.

Für den Fall, dass sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ggf. Widersprüche zu einer vorzutragenden Verfahrensrüge ergeben, hat die Verteidigung die Möglichkeit die Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls zu beantragen.

Ist die Revision zulässig, wird Sie dem Revisionsgegner, der Staatsanwaltschaft, zugestellt mit der Gelegenheit zur Gegenerklärung binnen einer Woche.

Mit der Gegenerklärung soll der Staatsanwaltschaft insbesondere Gelegenheit gegeben werden, zu den im Rahmen einer Verfahrensrüge vorgetragenen Tatsachen Stellung zu nehmen.

Die Gegenerklärung wird dann der Verteidigung zugestellt, die wiederum Gelegenheit hat dazu Stellung zu nehmen, was insbesondere dann empfehlenswert ist, wenn die Staatsanwaltschaft vorträgt, dass der Tatsachenvortrag der Verteidigung unzutreffend oder unvollständig sei.

Danach werden die Akten der Staatsanwaltschaft des Revisionsgerichts übersandt, die Generalstaatsanwaltschaft, falls ein Oberlandesgericht zuständig ist oder der Bundesgeneralwalt, falls der Bundesgerichtshof zuständig ist.

Diese stellt nun ihrerseits einen Revisionsantrag.

Für den Fall der Verfristung kann dieser darauf gerichtet sein, die Revision als unzulässig durch Beschluss zu verwerfen.

Für den Fall, dass die Revisionsstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision durch Beschluss – ggf. auch nur teilweise – als unbegründet zu verwerfen, kann das Gericht dies mit einem einstimmigen Beschluss tun. In der Praxis ist dies die weitaus häufigste Variante, an der Revisionen der Verteidigung auch regelmäßig scheitern.

Die Verteidigung erhält zuvor die Gelegenheit binnen zwei Wochen eine Gegenerklärung abzugeben.

Für den Fall, dass die Revisionsstaatsanwaltschaft übereinstimmend mit der Verteidigung die Aufhebung des Urteils beantragt, kann das Revisionsgericht ebenfalls durch Beschluss entscheiden.

Eine Revisionshauptverhandlung findet statt, wenn die Revisionsstaatsanwaltschaft die Anberaumung einer Revisionshauptverhandlung beantragt hat oder das Revisionsgericht entgegen den Anträgen der Revisionsstaatsanwaltschaft deren Durchführung für geboten hält, entweder, weil es zu keinem einstimmigen Beschluss gekommen ist, oder das angegriffene Urteil ggf. – wenigstens in Teilen – aufheben oder zu berichtigen beabsichtigt.

Die Revisionshauptverhandlung hat gänzlich nichts zu tun mit der Hauptverhandlung, wie sie in erster Instanz oder in der Berufungsinstanz stattfindet.

Nach dem Vortrag des Berichterstatters, halten die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft und ggf. die Nebenklage ihre Plädoyers. Zuerst gehört wird der Beschwerdeführer.

Auf Bitten der Verteidigung und ggf. auch ohne, wird das zu haltende Plädoyer durch das Revisionsgericht unterbrochen und es entspinnt sich ein Rechtsgespräch.

Zwar hat der nicht in Haft befindliche Angeklagte ein Recht auf Anwesenheit bei der Revisionshauptverhandlung. Es empfiehlt sich jedoch – trotz des Rechts auf das letzte Wort – nicht, dieses auszuüben. Die Revisionshauptverhandlung ist schlicht zu speziell und fordert zugleich eine derart hohe Konzentration der Verteidigung ab, dass die Anwesenheit des Angeklagten in aller Regel mehr schadet als hilft.

Nur soweit – ggf. auch – die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt hat, gilt das Verbot der Verschlechterung in der Revisionsinstanz („reformatio in peius“) nicht.

In aller Regel trifft das Revisionsgericht keine eigene Entscheidung.

Soweit das Urteil aufgehoben wird – ggf. mit den zugrundeliegenden Feststellungen – wird die Sache an eine andere Abteilung oder einen anderen Spruchkörper des Gerichts zurückverwiesen, dessen Urteil aufgehoben wurde. Soweit die Revision damit Erfolg hatte, ist die Sache dann neu in der vorangegangenen Instanz zu verhandeln.

In sehr seltenen Fällen entscheidet das Revisionsgericht allerdings selbst.

Sofern die Feststellungen des angegriffenen Urteils keine Verurteilung des Angeklagten tragen und das Verfahren freispruchsreif ist, hat das Revisionsgericht den Angeklagten freizusprechen. Dies gilt auch für einen Teilfreispruch. Für den Fall, dass nicht behebbare Verfahrenshindernisse vorliegen, hat das Revisionsgericht auf eine Einstellung des Verfahrens zu erkennen. Soweit auf eine lebenslange Strafe als Punktstrafe zu erkennen ist, hat dies das Revisionsgericht auch selbst zu tun. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann das Revisionsgericht auch die gesetzliche Mindeststrafe ausurteilen. Unter den gleichen Voraussetzungen ist auch ein Absehen von Strafe möglich, wenn dies das Gesetz für den zu entscheidenden Fall erlaubt.

Auch wenn das angegriffene Urteil unter Mängeln im Bereich der Strafzumessung leidet, kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des Urteils absehen, wenn die verhangene Strafe gleichwohl angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

Für den Fall, dass das angegriffene Urteil unter einem Fehler bei der Bildung einer Gesamtstrafe leidet, steht dem Revisionsgericht der Weg offen, statt das Urteil aufzuheben, es in das Beschlussverfahren gem. §§ 460, 462 StPO bei dem Gericht zu verweisen, dass das angegriffene Urteil gesprochen hat. Dieses Gericht bildet dann die Gesamtstrafe neu.

Legt die Staatsanwaltschaft Revision ein, kann uch die Verteidigung binnen einer Woche eine Gegenerklärung zu der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft abgeben.

Über Revisionen der Staatsanwaltschaft wird in aller Regel durch Urteil entschieden, da die Revisionsstaatsanwaltschaft praktisch nie beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft durch einstimmigen Beschluss zu verwerfen.

Soweit die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung Revision eingelegt haben, kann das Revisionsgericht eine gespaltene Entscheidung treffen und die Revision der Verteidigung auf entsprechenden Antrag der Revisionsstaatsanwaltschaft durch einstimmigen Beschluss verwerfen. Eine Hauptverhandlung findet dann nur noch auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin statt.

9. Die Revision der Nebenklage

Hinsichtlich der Revision der Nebenklage gilt die Besonderheit, dass das Anfechtungsziel genau zu benennen ist und nur darin bestehen, dass der Angeklagte wegen solcher Taten verurteilt wird, wegen derer er freigesprochen wurde oder wegen solcher Tatbestände, hinsichtlich derer er nicht verurteilt wurde.

Die Revision der Nebenklage kann nicht darauf gerichtet sein, dass der Angeklagte härter bestraft wird als geschehen.

Die Verteidigung eines Angeklagten muss bereits deutlich vor Vorliegen der Urteilsaufertigung auf eine potenzielle Revision hin ausgerichtet werden.

Zunächst ist bereits die Revisionsbegründungsfrist mit einem Monat sehr knapp bemessen. Wird eine umfangreiche Revisionsbegründung erforderlich, so wird ggf. schlicht die Zeit zu knapp, diese rechtzeitig zu fertigen und es ist ratsam, mit deren Abfassung schon zu einem früheren Zeitpunkt zu beginnen, ggf. sogar schon bevor das Urteil nur verkündet wurde.

Aus der Rechtsprechung des BGH zur sog. Rügepräklusion ergibt sich weiterhin, dass Beweisverwertungsverbote bereits in der jeweiligen Instanz zu erheben sind, damit die Verteidigung mit deren Vortrag in der Revisionsinstanz gehört werden kann.

Darüber hinaus empfiehlt es sich Beweisanträge und auch sonstige Anträge in ihrer Gesamtheit in der jeweiligen Instanz schon so zu stellen, dass für den Fall deren Ablehnung diesbezügliche Verfahrensrügen bzw. ggf. eine flankierende Aufklärungsrüge erfolgversprechend sind. 

Beweisanträge sollten so gestellt werden, dass für den Fall des Erweises der unter Beweis gestellten Tatsachen, sich dem Gericht eine Beweiswürdigung im Sinne des Angeklagten gebietet bzw. eine Beweiswürdigung zu Ungunsten des Angeklagten mit einer Beweiswürdigungsrüge angegriffen werden kann.

Ganz generell gilt, dass soweit eine ernsthafte Revisionsverteidigung vorbereitet werden soll, alle erforderlichen Anträge in der Instanz gestellt werden sollten.

Soweit die Verteidigungsstrategie darin besteht, die Verurteilung des Angeklagten – ggf. bezüglich einzelner Vorwürfe – zwingend zu verhindern, so ist im Übrigen auch für eine saubere Dokumentation der Ausübung der Verfahrensrechte zu sorgen. Nicht unüblich ist es, wenn die Verteidigung die Hauptverhandlung dazu bereits in Form solcher Anträge „dokumentiert“, die dann ggf. mittels eines portablen Druckers der besseren Lesbarkeit halber vor Gericht ausgedruckt und unterzeichnet werden.

Eine derartige Verteidigung „in der Instanz“ kann indes bereits häufig nicht durch eine einzelne Person gewährleistet werden, die den Angeklagten verteidigt.

Je besser die Vorarbeit ist, die von der Verteidigung in der Instanz geleistet wurde, umso eher kann es gelingen, eine erfolgreiche Revision einzulegen.

Wenn die Revisionseinlegung nicht nur dazu dient, die Rechtskraft des Urteils zu verzögern – etwa weil der Angeklagte einen Haftantritt hinausziehen will –, empfiehlt es sich nicht nur zur Vermeidung unnötiger Anwaltskosten zunächst die Erfolgsaussichten einer Revisionsbegründung zu prüfen.

Erst danach wird die Revisionsverteidigung in Übereinstimmung mit dem Angeklagten entscheiden, auf welche Punkte die Revision gestützt werden soll.

Wird die Revision zu breit und umfangreich aufgestellt, besteht die Gefahr, dass wegen des bestehenden Zeitdrucks die umfangreichen formellen Anforderungen an zu erhebende Verfahrensrügen nicht eingehalten werden. Ggf. wird das Revisionsgericht eine allzu umfassende Revision in ihrer Gesamtheit gar nicht würdigen.

Wird die Revision auf zu wenige Rügen bzw. Argumente gestützt, besteht die Gefahr, dass die Revisionsverteidigung sich möglicherweise erfolgreicher Verteidigungsmöglichkeiten begibt.

Ob eine Sachrüge erhoben werden, kann allein anhand des Urteils als Ergebnis des Verfahrens beurteilt werden.

Das Strafurteil ist vielfach zu lesen und mit den einschlägigen Vorschriften abzugleichen, um ermitteln zu können, ob es gegen materielles Recht verstößt.

Besonders häufig anzutreffen sind Sachrügen wegen einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung oder wegen Fehlern bei der Strafzumessung, darüber hinaus bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den angewendeten Straftatbestand, also bei der Frage, ob sich der Angeklagte des ihm vorgeworfenen Delikts strafbar gemacht hat. Auch Verfahrenshindernisse und das Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen können nicht selten die Erhebung einer erfolgreichen Sachrüge in Aussicht stellen.

Um herauszufinden, ob eine Verfahrensrüge erfolgreich erhoben werden kann, ist zunächst das Studium der vollständigen Akten erforderlich. Nur so kann ermittelt werden, ob das Gericht seinen Pflichten zum korrekten Zustandekommen des Urteils umfassend und fehlerfrei nachgekommen ist.

Ggf. sind auch ausführliche Erörterungen mit dem Angeklagten erforderlich.

Dies ist vor Allem dann der Fall, wenn das Gericht Bestandteile des tatsächlichen Sachverhalts nur teilweise gewürdigt bzw. erschöpfend behandelt hat oder Bestandteile der Hauptverhandlung im Urteil nicht berücksichtigt wurden.

Die Sachrüge kann allgemein mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts in aller Pauschalität erhoben werden. Dabei besteht jedoch das Risiko, dass die konkret zu beanstandenden Rechtsverletzungen von Revisionsgericht ungesehen bleiben. Daher empfiehlt sich regelmäßig eine ausführlichere Begründung der Sachrüge.

Bei einer Verfahrensrüge sind die Verfahrenstatsachen vorzutragen, die die Rechtsverletzung begründen, was bereits ausgesprochen anspruchsvoll ist.

Soweit dies so genau und so vollständig zu erfolgen hat, dass nur anhand der Rügeausführungen der Verfahrensfehler geprüft werden kann, erfordert dies regelmäßig einigen Umfang.

Vorzutragen sind nicht nur sämtliche Anträge und Beschlüsse im Wortlaut selbst, was zur Einbringung in die Revisionsbegründung auch einiger Erfahrung in technischer Hinsicht bedarf. Vorgetragen werden muss auch, dass die Rüge nicht präkludiert ist, z. B. dass eine Beweisverwertungsverbot rechtzeitig geltend gemacht wurde oder ein Befangenheitsantrag unverzüglich oder eine Besetzungsrüge rechtzeitig gem. § 222a StPO erhoben wurde. Schließlich müssen auch all solche Tatsachen vorgetragen werden, die für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands sprechen und der Rüge den Boden entziehen könnten (sog. Negativtatsachen). Schließlich müssen sämtliche Akteinteile mitgeteilt werden, die für die Begründetheit der Rüge auch nur mittelbar von Bedeutung sind.

Soweit die Revision nicht auf absolute Revisionsgründe gem. § 338 StGB gestützt wird, ist auch zum Beruhen des Urteils auf der fehlerhaften Rechtsanwendung vorzutragen.

Bei Verfahrensrügen, die auf relative Revisionsgründe gestützt werden, ist darzulegen, dass das Ergebnis des Verfahrens anders ausgefallen wäre, wenn es rechtsfehlerfrei gewesen wäre. Dies ist regelmäßig nicht ausschließbar, wenn das Gericht einem Beweisantrag zu Unrecht nicht stattgegeben hat, bei der Nichtgewährung von Frage- und Erklärungsrechten sowie bei der Nichtgewährung des letzten Wortes und bei der Verwertung von nichtverwertbarem Beweisstoff. Häufig wird ein Beruhen bejaht, wenn Verfahrenshandlungen unterblieben sind, denen eine wichtige Orientierungsfunktion für die Verfahrensbeteiligten zukommt, so. z. B. bei fehlender Ladung des Verteidigers, unterbliebener Verlesung des Anklagesatzes, das Unterlassen von gebotenen Hinweisen und die unterbliebene Belehrung von Zeugen über ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird im Fall von Verstößen gegen Verfahrensvorschriften betreffend der Verständigung gleich bei einem absoluten Revisionsgrund praktisch immer ein Beruhen bejaht.

Demgegenüber sind die Anforderungen an den Vortrag zum Beruhen bei Sachrügen wegen der Verletzung materiellen Rechts deutlich niedriger. Bei einer richtigen Rechtsanwendung erfolgt schließlich – verglichen mit der fehlerhaften – regelmäßig einer anderer Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch.

I. Der Verfahrensgang

Die Strafverteidigung umspannt verschiedene Abschnitte eines Strafverfahrens. Wir als Strafverteidiger stehen Ihnen jederzeit mit professioneller Beratung zur Seite.

In formeller Hinsicht beginnt ein Strafverfahren mit dem Ermittlungsverfahren.

Dieses dient der Ermittlung, ob ein hinreichender Tatverdacht gegen einen Beschuldigten besteht, d. h. ob er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der ihm zur Last gelegten Tat durch ein Gericht schuldig gesprochen wird.

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Polizei sind verpflichtet und befugt Ermittlungen zu führen, die Polizei – oder andere Ermittlungsbehörden – ggf. auf Weisung der Staatsanwaltschaft.

Sie können dazu insbesondere den Beschuldigten und Zeugen vernehmen und Auskünfte aller Art bei Behörden verlangen.

Die Staatsanwaltschaft kann im Übrigen auch Sachverständigengutachten beauftragen, andere Strafakten beiziehen und Rechthilfeersuchen an andere Staaten stellen.

Weitere offene Ermittlungsmaßnahmen sind die Hausdurchsuchung, bei dem Beschuldigten oder anderen Personen, in der Regel einhergehend mit der Beschlagnahme, für den Fall, dass herauszugebende Gegenstände nicht freiwillig zur Sicherstellung ausgehändigt werden. Es können erkennungsdienstliche Maßnahmen durchgeführt werden (Lichtbilder, Fingerabdrücke) und neben anderen körperlichen Durchsuchungen und Untersuchungen (vor allem die Abnahme von Blut) vor allem auch Körperzellen entnommen werden, um molekulargenetische Abgleiche durchzuführen und das DNA-Muster eines Beschuldigten in die DNA-Analysedatei bei dem Bundeskriminalamt einzuspeichern. Auch breit angelegte Ermittlungsmaßnahmen, wie insbesondere Rasterfahndung, Einrichtung von Kontrollstelle an öffentlich zugänglichen Orten, Ausschreibung zur Beobachtung bei polizeilichen Kontrollen, automatische Kennzeichenerfassung und die DNA-Reihenuntersuchung sind möglich.

Daneben kommen diverse verdeckte Ermittlungsmaßnahmen in Betracht, insbesondere die Telekommunikationsüberwachung inklusive der Erhebung von Verkehrsdaten und Bestandsdaten, die Online-Durchsuchung, die akustische Überwachung innerhalb („Großer Lauschangriff“) und außerhalb von Wohnungen („Kleiner Lauschangriff“), die Observation auch unter Anfertigung von Bildaufnahmen und unter Nutzung technischer Mittel sowie die Postbeschlagnahme. Mittels sog. IMSI-Catcher kann sowohl der Standort eines Mobilfunkgerätes ermittelt werden als auch dessen Gerätekennnummer (IMEI) sowie die Kartenkennung der darin eingelegte SIM-Karte (IMSI).

Schließlich kommt auch der Einsatz von verdeckten Ermittlern bzw. nicht offen ermittelnden Polizeibeamten in Betracht sowie der Einsatz von Vertrauenspersonen und die Informationsgewinnung über Informanten.

Soweit die Annahme begründet ist, dass ein Beschuldigter durch oder für rechtswidrige Taten etwas erlangt hat, können solche Sachen unmittelbar bei ihm beschlagnahmt werden oder der Vernögensarrest angeordnet werden. Im Zuge dessen kann können Sachen von Wert und Forderungen gepfändet werden und auch Zwangshypotheken in das Grundbuch eingetragen werden.

Die potenziell drastischste Maßnahme im Ermittlungsverfahren ist die Verhängung von Untersuchungshaft.

Bei ihren Ermittlungen ist die Staatsanwaltschaft gehalten nicht nur gehalten die den Beschuldigten belastenden Umstände zu ermitteln, sondern auch alle entlastenden. Entlastenden Beweisanträgen des Beschuldigten bzw. dessen Verteidigers ist nachzugehen, soweit deren Gegenstand von Bedeutung ist.

Kommt die Staatsanwaltschaft zu de Ergebnis, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht, so erhebt sie Anklage bei dem zuständigen Gericht. Die Zuständigkeit richtet sich nach der Schwere des Vorwurfs. Der Einzel- bzw. Jugendrichter hat eine Strafgewalt von bis zu zwei Jahren. Das Schöffen- bzw. Jugendschöffengericht kann das Strafen von bis zu vier Jahren verhängen. Diese beiden Spruchkörper sind bei den Amtsgerichten angesiedelt. Reicht die Strafgewalt des Schöffengerichts nicht aus oder kommt ggf. die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung in Betracht, so sind die großen Strafkammern bei den Landgerichten in erster Instanz zuständig.

Liegt nach Auffassung der Staatsanwaltschaft kein hinreichender Tatverdacht vor, stellt sie das Ermittlungsverfahren mangels Tatverdachts gem. § 170 Abs. 2 StPO ein.

Alternativ kommt in Betracht, dass das Ermittlungsverfahren abweichend von der Pflicht zur Verfolgung von Straftaten aus sog. Opportunitätsgründen eingestellt wird, insbesondere wegen geringe der Schuld gem. § 153 StPO oder wegen geringe der Schuld unter Auflagen und Weisungen gem. § 153a StPO oder weil die zu erwartende Strafe im Hinblick auf eine Strafe, die er Beschuldigte bereits in einem anderen Verfahren zu erwarten hat oder zu der er bereits verurteilt wurde, nicht beträchtlich ins Gewicht bzw. die Strafe in dem anderen Verfahren ausreichend erscheint.

Ein Strafbefehl wird dem Beschuldigten ohne Hauptverhandlung zugestellt und enthält nicht nur die Angabe des Delikts, für das er schuldig befunden wird, sondern zugleich auch die Anordnung einer Rechtsfolge, in der Regel die Verhängung einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird.

Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens durch Erhebung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft und bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens wird das Zwischenverfahren durchgeführt. In diesem Verfahrensabschnitt prüft das Gericht, zu dem die Anklage erhoben wurde, seinerseits erneut, ob ein hinreichender Tatverdacht vorliegt. Mit Zustellung der Anklage räumt das Gerich dem Angeschuldigten eine Frist ein, um Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorzubringen und Beweiserhebungen zu beantragen. Für den Fall, dass Verfahrenshindernisse vorliegen bzw. Prozessvoraussetzungen fehlen, ist das Verfahren einstweilen (§ 205 StPO) oder endgültig (§ 206a StPO einzustellen). 

Weicht das Gericht von der Auffassung der Staatsanwaltschaft ab und sieht einen dringenden Tatverdacht nichts als gegeben an, so lehnt es die Eröffnung des Hauptverfahrens ab.

Kommt das zuständige Gericht zu dem, dass ein hinreichender Tatverdacht gegeben ist, wird das Hauptverfahren eröffnet und in aller Regel werden Hauptverhandlungstermine anberaumt und der Beschuldigte, dessen Verteidigung sowie die Zeugen des Verfahrens und ggf. Sachverständige geladen. 

Die Hauptverhandlung beginnt mit der Feststellung der Anwesenheit und der Vernehmung des Angeklagten zu seinen persönlichen Verhältnissen. Danach verliest der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft die Anklageschrift und sodann hat der Angeklagte die Möglichkeit sich zu den Vorwürfen zu äußern. Danach folgt die Beweisaufnahme. Beweismittel im Strafverfahren sind die Einlassung des Angeklagten, die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, die Verlesung von Urkunden und die Inaugenscheinnahme von sonstigen Beweismitteln.

Der Beschuldigte und sein Verteidiger sowie die Staatsanwaltschaft haben insbesondere das Recht Fragen an Zeugen und Sachverständige zu stellen, die Verhandlungsleitung des Vorsitzenden Richters zu beanstanden und Beweisanträge zu stellen sowie einen der erkennenden Richter wegen Befangenheit abzulehnen. Der Beschuldigte hat zudem das Recht selbst Sachverständige und Zeugen zu der Hauptverhandlung zu laden. Nach jeder Einvernahme eines Beweismittels ist dem Beschuldigten und seiner Verteidigung Gelegenheit zu geben, dazu eine Erklärung abzugeben. Dies ist insbesondere der Zeitpunkt, in dem spätestens ein Beweisverwertungsverbot bezüglich eines Beweismittels geltend gemacht werden muss.

Nachdem die Beweisaufnahme geschlossen wurde, erhalten die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung Gelegenheit, Plädoyers halten. Danach hat der Angeklagte das letzte Wort.

Das Gericht zieht sich sodann zur Beratung zurück und verkündet zu sodann das Urteil, mit dem es den Angeklagten entweder verurteilt oder freispricht bzw. ausnahmsweise das Verfahren einstellt, falls Verfahrenshindernisse vorliegen.

Das deutsche Strafrecht kennt als Hauptstrafen die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe, d. h. Freiheitsentzug durch Inhaftierung in einer Justizvollzugsanstalt, wobei von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich entweder der geschlossene oder der offene Vollzug der Regelvollzug ist.

Freiheitsstrafen unter 6 Monaten werden nur in Ausnahmefällen verhangen. Freiheitsstrafen können zur Bewährung ausgesetzt werden und müssen dann nicht verbüß werden. In der Regel werden mit der Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung Auflagen oder Weisungen verhangen.

Geldstrafen werden in Tagessätzen verhangen, wobei ein Tagessatz das tägliche Nettoeinkommen abbilden soll. Als Nebenstrafe kennt das deutsche Recht lediglich das Fahrverbot von bis zu drei Monaten gem. § 44 StGB.

Während Strafen Folge der durch eine Straftat verwirklichten Schuld sind, kommt daneben die Verhängung von Maßregeln der Besserung und Sicherung in Betracht, die dem Schutz der Allgemeinheit dienen und/oder der Besserung eines Verurteilten und aufgrund einer Gefährlichkeitsprognose angeordnet werden.

Besonders praxisrelevant sind die Maßregeln der Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB im Zusammenhang mit Verkehrsdelikten und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB, wenn Straftaten aufgrund von Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurden. Im Fall von psychischen Defekten kommt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB in Betracht und für besonders gefährliche Wiederholungstäter die Sicherungsverwahrung gem. § 66 StGB. Schließlich kommt ein Berufsverbot gem. § 70 StGB in Betracht, wenn Taten unter Missbrauch eines Berufs oder Gewerbes begangen wurden.

Neben Strafen und Maßregeln kann mit einer Verurteilung auch die Einziehung von Taterträgen angeordnet werden, wenn festgestellt wurde, dass der Angeklagte durch oder für eine rechtswidrige Tat etwas erlangt hat.

Gegen Entscheidungen der Amtsgerichte sind die Rechtsmittel der Berufung und der Revision zulässig, insbesondere kann auch unmittelbar Revision gegen ein Urteil eingelegt werden, die dann als Sprung-Revision bezeichnet wird. Die Berufung findet in diesen Fällen vor dem Landgericht statt, die Revision vor dem Oberlandesgericht. Gegen Urteile der Landgerichte und Oberlandesgerichte ist nur das Rechtsmittel der Revision gegeben. Zuständig ist in diesem Fall der Bundesgerichtshof.

Die Rechtsmittelinstanzen der Berufung und der Revision unterscheiden sich grundlegend.

Bei der Berufungsinstanz handelt es sich um eine weitere sog. Tatsacheninstanz.

Zuständig sind die Berufungskammern bei den Landgerichten.

Vereinfacht ausgedrückt wird in der Berufungshauptverhandlung das Verfahren wie in erster Instanz erneut durchgeführt, soweit das Rechtsmittel der Berufung eingelegt wurde.

Anstatt dass die Anklageschrift verlesen wird, hält das Gericht einen Vortrag über den bisherigen Verfahrensgang und verliest das Urteil des ersten Rechtszuges, soweit dies von Bedeutung ist.

In der Regel sind sämtliche Zeugen und Sachverständige erneut zu laden und zu vernehmen. Nur soweit Zeugen und Sachverständige nicht erneut vernommen werden, ist die Verlesung deren Aussagen aus der Vorinstanz zulässig.

Neue Beweismittel können in das Verfahren eingeführt werden.

Soweit das Berufungsgericht die Berufung für begründet befindet, hebt es das Urteil des ersten Rechtszuges auf und erkennt in der Sache selbst unter Aufhebung des Urteils.

Die Revisionsinstanz ist dagegen eine sog. reine Rechtsinstanz, in der lediglich das Urteil als solches sowie ggf. dessen Zustandekommen auf rechtliche Fehler geprüft wird.

Für den Fall, dass ein Verfahren nicht eingestellt wurde oder der Angeklagte freigesprochen wurde, schließt sich nach Rechtskraft eines Urteils die Strafvollstreckung an. Für die Vollstreckung zuständig sind die Staatsanwaltschaften, die jeweils auch als Ermittlungs- bzw. Anklagebehörde tätig waren. Sachbearbeiter in der Vollstreckung sind indes überwiegend Rechtspfleger und nicht Staatsanwälte.

Sofern nicht nur eine Geldstrafe verhangen wurde, beinhaltet dies zwingend den Vollzug von Freiheitsstrafen in Justizvollzugsanstalten und den Vollzug von freiheitsentziehenden Maßregeln. Während die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB in forensischen Kliniken vollzogen werden, wird Sicherungsverwahrung gem. § 66 StGB in eigenständigen Haftanstalten oder in allgemeinen Haftanstalten aber in getrennten Abteilungen vollzogen.

Geldstrafen und Gerichtskosten werden nach den Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes vollstreckt. Den Staatsanwaltschaften haben hierbei im Wesentlichen dieselben Möglichkeiten wie einem Gläubiger im Zivilrecht, um eine rechtskräftig festgestellte Forderung beizureiben. Geldstrafen können in Raten gezahlt werden. Ein Verurteilter kann alternativ auch gemeinnützige Arbeit verrichten. Sobald eine Geldstrafe uneinbringlich ist, d. h. wenn Sie mit Mitteln der Zwangsvollstreckung nicht beigetrieben werden kann, wird die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet. Deren Länge entspricht der Anzahl an Tagessätzen, die verhangen wurden. Der Verurteilte verbüßt die Ersatzfreiheitsstrafe im Justizvollzug.

Soweit die Einziehung von Vermögensbeträgen im Urteil angeordnet wurde, werden auch diese vom Rechtspfleger der zuständigen Staatsanwaltschaft vollstreckt. Auch hierfür stehen der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen die Möglichkeiten offen, die zur Vollstreckung von titulierten zivilrechtlichen Forderungen genutzt werden können. Für den Fall, dass der Verurteilte noch über Masse verfügt, kann der Rechtspfleger zur Entschädigung von Verletzten auch ein Insolvenzverfahren gegen den Verurteilten einleiten. Ansprüche der Staatskassen gegen einen Verurteilten sind ebenso wenig von einer Restschuldbefreiung erfasst, wie Ansprüche von Verletzten, sofern gerichtlich festgestellt wurde, dass es sich bei dessen Anspruch um einen solchen aus einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Tat handelt.

II. Die Verteidigung

Da die Verteidigung im Ermittlungs-, Zwischen- sowie Hauptverfahren in erster Instanz und ggf. in der Berufungsinstanz technisch sehr ähnlich erfolgen kann, wird in diesem Zusammenhang von der sog. Instanzverteidigung gesprochen.
Ganz generell empfiehlt es sich frühestmöglich einen Verteidiger zu beauftragen.

Der grundsätzliche Unterschied zwischen einem Wahlverteidiger und einem Pflichtverteidiger ist, dass der der Wahlverteidiger unmittelbar von dem Mandant gewählt und vergütet wird und der Pflichtverteidiger aus der Staatskasse seine Vergütung erhält. Dem Betroffenen ist Gelegenheit zu geben, einen Pflichtverteidiger seiner Wahl zu benennen. Macht er hiervon keinen Gebrauch, so wird ihm ein Pflichtverteidiger nach Wahl des zuständigen Gerichts – bei Eilbedürftigkeit nach Wahl der Staatsanwaltschaft – ein Pflichtverteidiger beigeordnet.

Wahlverteidiger erhalten bereits nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz höhere Gebühren für ihr Tätigwerden als Pflichtverteidiger. Selbst die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz für Wahlverteidiger anfallenden Gebühren sind allerdings nicht dafür geeignet, eine optimale Verteidigung wirtschaftlich abzubilden.

In aller Regel schließen Strafverteidiger mit ihren Mandanten Honorarvereinbarungen ab, die Pauschalhonorare für einzelne Verfahrensabschnitte oder Tätigkeiten vorsehen oder Stundensätze regeln.

1. Bevor Gewissheit darüber besteht, dass ein Strafverfahren eingeleitet wurde

Befürchtet der Mandant lediglich, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren geführt wird, wird zunächst ein Überblick vermittelt, wie die Staatsanwaltschaft und die Ermittlungsbehörden Ermittlungen führen. Je nach betroffenem Deliktsbereich kann dies sehr unterschiedlich sein ebenso wie je nachdem, welche Ermittlungsbehörde zuständig sein dürfte und damit ggf. ermittelt.

Soweit eine Strafbarkeit wegen Steuerstraftaten im Raum steht, gilt, dass unter eingeschränkten Voraussetzungen durch eine voll umfängliche Selbstanzeige gem. § 371 AO Straffreiheit erlangt werden kann. Gleich ob es den Mandanten reut, unrichtige Steuererklärungen abgegeben zu haben oder ob er des Umstandes gewahr wird, dass ohne sein Zutun Steuern verkürzt oder hinterzogen wurden, ist er über die Voraussetzungen zur Erlangung von Straffreiheit und die Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige auzuklären.

Nicht selten kann im Übrigen bereits erahnt werden, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein könnte, etwa weil eine Strafanzeige angedroht wurde oder weil den Medien entnommen werden kann, dass bestimmte Ermittlungen stattfinden. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an den Erwerb der sog. Steuersünder-CD über den Bundesnachrichtendienst in 2006 oder der „Action Day“ in 2021 anlässlich dessen bekannt wurde, dass Serverdaten zahlreicher Krypto-Handy-Anbieter von Ermittlungsbehörden eingesehen werden können. Möglicherweise ahnt der Mandant aber auch, dass gegen ihn ermittelt wird, da er Wahrnehmungen gemacht hat, die ihn darauf schließen lassen, dass gegen ihn verdeckt ermittelt wird.

Die erste Beratung des Mandanten wird sich in der Regel gleichen mit derjenigen, die ihm eine Verteidiger zu Teil werden lässt, wenn

2. Die Erstberatung

Nicht selten wird ein Mandant des Umstandes, dass ein Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt wird, erst gewahr, wenn er von der Polizei zu einer Vernehmung vorgeladen wird oder die Staatsanwaltschaft ihn anschreibt und ihm Gelegenheit gibt, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Nicht selten wird er auch erst durch eine Hausdurchsuchung darauf aufmerksam.

Gleich ob Gewissheit über ein Ermittlungsverfahren besteht oder nicht, wird der Mandant aufgeklärt, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Zwangsmaßnahmen drohen, insbesondere Durchsuchung, Beschlagnahme und Untersuchungshaft und wie er sich zu verhalten hat, einerseits um diese Maßnahmen ggf. zu vermeiden und andererseits, wie er sich verhalten hat, wenn sie stattfinden.

Soweit im Raum steht, dass durch rechtswidrige Taten oder für sie etwas erlangt wurde, findet weiterhin eine Aufklärung statt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ggf. Vermögenswerte arretiert – umgangssprachlich: eingefroren – werden können.

Soweit der Mandant verdeckte Ermittlungsmaßnahmen fürchtet, ist ein Überblick zu geben, welche verdeckten Ermittlungsmaßnahmen unter welchen Voraussetzungen zulässig sind. Insbesondere wird ein Überblick vermittelt, mit welchen Techniken verdeckt gegen ihn ermittelt werden kann.

Er ist weiterhin aufzuklären, wie er sich zu verhalten hat, wenn erkennungsdienstliche Maßnahmen erfolgen sollen oder er körperlich untersucht werden soll, insbesondere zur Abnahme von Blut oder zur Entnahme von Zellmaterial für molekulargenetische Untersuchungen.

3. Verhalten gegenüber Ermittllungsbehörden

Schließlich ist zu erläutern, wie man sich grundsätzlich gegenüber Ermittlungsbehörden verhalten sollte.

Es gilt der Grundsatz keine Angaben gegenüber Ermittlungsbehörden zu machen, jedenfalls nicht ohne Rücksprache mit einem Verteidiger

Der U. S: Supreme Court hat sich in der Sache Watts.vs, Indiana, 338 U. S., 49 (1949) sogar zu der folgenden Äußerung hinreißen lassen:

(…) any lawyer worth his salt will tell the suspect in no uncertain terms to make no statement to police under any circumstances.

(…)

Any lawyer who has ever been called into a case after his client has „told all“ and turned any evidence he has over to the Government knows how helpless he is to protect his client against the facts thus disclosed.

Ganz generell ist mit dieser Maßgabe festzuhalten, dass ein Beschuldigter grundsätzlich nur Angaben zu seiner Identität machen muss und in den meisten Fällen erkennungsdienstliche Maßnahmen (meist nur Lichtbilder und Fingerabdrücke) erdulden muss.

Grundsätzlich sollten Anordnungen von Beamten immer befolgt werden. Zustimmungen zu gleich wie gearteten Mitwirkungshandlungen sollten nie erteilt werden.

4. Akteneinsicht

Der Verteidiger wird in einem ersten Schritt nach Abschluss des Mandatsvereinbarung die Verteidigung seines Mandanten anzeigen und Akteneinsicht beantragen. Unter Umständen wird sich im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens herausstellen, dass diese auch auf verfahrensfremde Akten zu erweitern ist, wenn diese einen Bezug zu dem Verfahren des Mandanten haben. Zwar ist die Staatsanwaltschaft gehalten, dem Verteidiger schleunigst Akteneinsicht zu gewähren. Solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, jedoch darf sie bis zum Abschluss der Ermittlungen solche Aktenteil zurückhalten, die den Untersuchungszweck gefährden würden. Ausgenommen hiervon sind einzig Protokolle über die Vernehmung des Beschuldigten und richterliche Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit zu gestatten ist sowie Gutachten von Sachverständigen.

Er wird dem Mandanten die Akte zur Verfügung stellen, damit dieser sich in den Stand der Ermittlungen einarbeiten kann. Auf Grundlage zusätzlicher Informationen des Mandanten und ggf. eigener Ermittlungen des Verteidigers – insbesondere durch Befragung von Zeugen und die Beauftragung von Privatermittlern sowie die Einholung von Sachverständigengutachten – wird sodann die Verteidigungsstrategie erarbeitet.

5. Anwesenheit des Verteidigers bei einzelnen Ermittlungshandlungen

Der Verteidiger hat im Ermittlungsverfahren das Recht, bei richterlichen Vernehmungen von Zeugen oder Sachverständigen anwesend zu sein und daran teilzuhaben, indem er selbst Fragen stellt oder solche der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts beanstandet (§ 168c Abs. 2 StPO). Dies gilt nach überwiegender Auffassung auch für die Vernehmung von Mitbeschuldigten, wie auch für den Fall, dass ein Vernehmung eines in Abwesenheit der zu Anwesenheit Berechtigten erfolgt und per Bild und Ton übertragen wird (§ 168e S. 3 StPO). Ebenso hat der Verteidiger das Recht, bei der richterlichen Einnahme eines Augenscheins anwesend zu sein (§ 168d Ab.1 StPO).

Auch bei der staatsanwaltlichen Vernehmung des Beschuldigten hat der Verteidiger ein Anwesenheitsrecht (§ 163a Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 168c Abs. 2 StPO), ebenso wie bei polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen (§ 

6. Die Verteidigungsstrategie

Für eine gelungene Verteidigung ist entscheidend, dass die Verteidigungsstrategie frühestmöglich festgelegt und sodann umgesetzt wird. Dafür ist in der Regel eine Einsicht in die vollständige Akte erforderlich. Insbesondere in Umfangsverfahren wird die Staatsanwaltschaft allerdings die vollständigen Akten bis zur Anklageerhebung zurückhalten. In diesen Fällen geltendem die folgenden Ausführungen mit der Einschränkung, dass man sich einer endgültigen Verteidigungsstrategie im Ermittlungsverfahren nur durch Besprechungen zwischen Verteidiger und Mandant bestmöglich annähern kann, indem potenzielle Beweisergebnisse aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft antizipiert werden.

Wenn absehbar ist, dass das Ermittlungsverfahren nicht mittels einer Einstellung oder der Beantragung eines Strafbefehls zu beenden ist, wird die Verteidigungsstrategie regelmäßig darin bestehen, die späteren Verfahrensabschnitte, maßgeblich das Hauptverfahren möglichst günstig zu beeinflussen.

6.1. Verteidigung „aus der Akte“

Bei der Erarbeitung der Verteidigungsstrategie ist zunächst zu beurteilen, ob sich aus den Verfahrensakten selbst in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Verteidigungsansätze ergeben, die idealerweise einen hinreichenden Tatverdacht ausräumen oder Verfahrenshindernisse begründen, so dass es auf weitere Überlegungen gar nicht ankommt.

Für diesen Fall wird schlicht der Inhalt der Akte selbst genutzt, um zu dem angestrebten Verteidigungsziel zu gelangen, indem der Verteidiger die Akte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auswertet. So kann von Fall zu Fall zum Beispiel dargelegt werden, dass selbst wenn man unterstellt, dass der Beschuldigte das getan, was man ihm vorwirft, kein strafbares Verhalten vorliegt oder dass die Tatvorwürfe nicht beweisbar sind

Ggf. unterliegen auch einzelne Beweisergebnisse Beweisverwertungsverboten, so dass diese nicht berücksichtigt werden dürfen. Sofern Verfahrensfehler, die zu Beweisverwertungsverboten geführt haben, im Ermittlungsverfahren noch geheilt werden können, sollte jedoch erwogen werden, diese erst zu einem späteren Zeitpunkt geltend zu machen.

6.2. Beweisanträge

Ist dies nicht der Fall oder ist zu antizipieren, dass noch weitere Ermittlungsergebnisse zu den Akten gelangen werden, ist in einem nächsten Schritt zu überlegen, ob ggf. durch Beweisanträge eine Verfahrenslage geschaffen werden kann, die einen hinreichenden Tatverdacht vermissen lässt oder in der eine Einstellung aus Opportunitätsgründen, insbesondere gegen Auflagen und Weisungen gem. § 153a StPO, in Betracht kommt. Ggf. ist abzuwarten, ob gestellte Beweisanträge das Ergebnis bringen, dass man sich von Ihnen verspricht. Im Einzelfall mag daher auch sinnvoll sein, zunächst bestimmte Beweisanträge zu stellen und abhängig von deren Ausgang ggf. hernach weitere anzubringen.

Dabei gilt grundsätzlich: Es sollten nur Beweisanträge gestellt werden, deren Ausgang vorhersehbar ist.

6.3. Einlassung

Ist diese Vorgehensweise allein nicht oder nur bedingt erfolgversprechend, ist abzuwägen, ob eine Einlassung des Beschuldigten sinnvoll ist. In Betracht kommen sowohl eine voll oder teilweise als auch eine bestreitende Einlassung.

Zu beachten ist, dass sowohl eine bestreitende als auch eine (nur) teilgeständige Einlassung im Verurteilungsfall für den Angeklagten strafschärfend gewertet werden können. Es liegt daher nahe, anstatt eine bestreitende Einlassung abzugeben schlicht keine Angaben zu machen.

Soweit aufgrund der strafmildernden Wirkung einer geständigen Einlassung naheliegend oder erwartbar erscheint, dass ein Verteidigungsziel erreicht werden kann, mag viel dafürsprechen, eine solche abzugeben, insbesondere, soweit eine Einstellung aus Opportunitätsgründen angestrebt wird oder die Vermeidung einer Hauptverhandlung mittels des Erlasses eines Strafbefehls. Verfehlt eine geständige Einlassung ein solches Ziel allerdings, so wird im weiteren Verfahren nur schwerlich noch glaubhaft davon abzuweichen sein.

Der Widerruf einer Einlassung wird nur in den seltensten Fällen glaubhaft gelingen. Der Inhalt einer Einlassung ist daher gut abzuwägen.

Wenngleich häufig der frühen geständigen Einlassung eine besonders strafmildernde Wirkung zugesprochen wird, ist im Einzelfall abzuwägen, ob dadurch nicht potenzielle Verteidigungsansätze verstellt werden.

Eine Besonderheit gilt, soweit eine Konstellation vorliegt, in der der Beschuldigte von einer Kronzeugenregelung (§§ 31 BtmG, 46b StGB) Gebrauch machen kann, aufgrund derer sich ggf. der anzuwendende Strafrahmen verschiebt. Eine Aussage, mit der Taten über den eigen Tatbeitrag hinaus aufgeklärt oder verhindert werden können, ist mit strafrahmenverschiebender Wirkung nur bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens möglich. Sinnvoll sind solche Aussagen regelmäßig vor allem im Ermittlungsverfahren.

6.4. Erörterungen mit der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft kann im Ermittlungsverfahren zu dessen Förderung den Stand des Verfahrens gem. § 160b StPO mit der Verteidigung erörtern.

Eine Verständigung, bei der eine Strafobergrenze für den Fall eines Geständnisses oder – ausnahmsweise – eines bestimmten Prozessverhaltens vereinbart wird, ist nach den Regelungen des § 257c StPO grundsätzlich dem Zwischen- und Hauptverfahren vorbehalten, denn das Gericht muss daran mitwirken. Die Praxis der Absprache von bestimmten Höchststrafen gegen ein Geständnis und/oder die Belastung von anderen Personen ist durch die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Urteil vom 19.03.2013, 2 BvR 2628/10 unterbunden worden.

Gleichwohl gilt, dass, soweit verbindliche Absprachen zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft gem. § 160b StPO getroffen wurden, sich eine Seite davon nicht mehr ohne weiteres lösen kann.

Nur in seltenen wird es sich empfehlen, ein Geständnis im Rahmen einer polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Vernehmung abzugeben, z. B. um die Glaubhaftigkeit der Angaben zu unterstreichen oder weil Fragen tangiert werden, die einen besonderen Sachverstand erfordern und deshalb im Rahmen der Dynamik eines Frage-Antwort-Spiels leichter zu erörtern sind.

7. Die Verteidigungsschrift

Neben polizeilichen und staatsanwaltlichen Vernehmungen ist das Hauptinstrument der Verteidigung im Ermittlungsverfahren die Verteidigungsschrift,

Die Verteidigungsschrift wird in der Regel eröffnet mit einer Darlegung der Verteidigung zum Verständnis von dem Verfahren.

Falls dies im Einzelfall sinnvoll erscheint, wird sich eine Einlassung des Beschuldigten anschließen, die auch ergänzt oder ersetzt werden kann durch Vortrag der Verteidigung. Verteidigungsvortrag sind entgegen der Einlassung des Angeklagten keine eigenen Angaben des Angeklagten, sondern solche der Verteidigung selbst, Inder Regel werden Sie mittels präsenter, der Verteidigungsschrift beigefügter Beweismittel gestützt, wie insbesondere Urkunden und Augenscheinbeweismittel. Dazu können insbesondere auch durch die Verteidigung vorgenommene und dokumentierte Zeugenbefragungen zählen, wie auch Privatgutachten von Sachverständigen oder Beweisergebnisse, die von Privatermittlern beigebracht wurden.

Eine Einlassung ist allerdings nicht zwingender Bestandteil der Verteidigungsschrift. Sie kann stattdessen auch nur aus einer Aktenauswertung in tatsächlich oder rechtlicher Hinsicht bestehen sowie aus Beweisanträgen der aus einer anderen Kombination all dieser Elemente.

Vor allem bei Verfahren von erheblichem Umfang, kann es sinnvoll sein, zunächst abzuwarten, welche Taten von der Staatsanwaltschaft angeklagt werden, um dann erst im Zwischenverfahren Verteidigungsbemühungen zu entfalten.

1. Bedingungen der Verteidigung im Zwischenverfahren

Eine Verteidigung im Zwischenverfahren findet meist dann statt, wenn ein Angeschuldigter erst nach Anklageerhebung einen Strafverteidiger aufsucht oder die Staatsanwaltschaft ohne Eingaben der Verteidigung abzuwarten, Anklage erhebt. Nur im Fall einer krass falschen Wertung durch die Staatsanwaltschaft wird das Gericht das Hauptverfahren nicht eröffnen. Der Staatsanwaltschaft steht für diesen Fall allerdings der Weg offen erneut und aller Wahrscheinlichkeit nach modifiziert Anklage zu erheben.

Das Zwischenverfahren bietet grundsätzlich die gleichen Verteidigungsmöglichkeiten des Ermittlungsverfahrens. Sofern der Verteidiger bereits im Ermittlungsverfahren tätig war, wird er im Rahmen dessen indes die gegebenen Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Nur für den Fall, dass die Strategie im Ermittlungsverfahren – ganz oder teilweise – darin bestand, die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft abzuwarten, werden sich inhaltliche Ausführungen dazu noch anbieten, um das Gericht dazu zu bewegen, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen.

Auch in diesem Stadium ist eine Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen jederzeit möglich. Hierfür ist allerdings die Zustimmung der Staatsanwaltschaft erforderlich. Nur wenn ein Angebot der Staatsanwaltschaft auf eine Einstellung aus Opportunitätsgründen – in aller Regel gem. § 153a StGB gegen Auflagen und Weisungen – vom Angeschuldigten abgelehnt worden war oder im Ermittlungsverfahren noch gar keine Verteidigungsaktivitäten entfaltet wurden, wird die Staatsanwaltschaft sich in diesem Verfahrensstadium noch darauf einlassen. Mit Erhebung der Anklage hat Sie schließlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Verurteilung für überwiegend wahrscheinlich hält.

2. Verteidigung gegen die rechtliche Wertung der Staatsanwaltschaft

Eine Verteidigungsschrift im Zwischenverfahren kann sich so bereits gegen die rechtliche Wertung der Staatsanwaltschaft wenden und rügen, dass das angeklagte Verhalten des Angeschuldigten bereits nicht strafbar ist.

Auch kann es im Einzelfall sinnvoll sein, den Anklagevorwurf herunterzudefinieren mit dem Ziel, dass das Hauptverfahren nur wegen einzelner Vorwürfe eröffnet wird oder rechtlich abweichend von der Anklageschrift (§ 207 Abs. 2 Nr. 3 StPO). Ziel kann ggf. auch sein, dass das Verfahren vor einem rangniedrigeren Gericht eröffnet wird (§ 209 Abs. 1 StPO), nicht zuletzt, da dessen Strafgewalt begrenzter ist und für den Fall einer Eröffnung vor dem Amtsgericht auch eine weitere Tatsacheninstanz in Gestalt des Berufungsverfahrens zur Verfügung steht.

3. Verteidigung gegen die sachliche Wertung der Staatsanwaltschaft

Gegen die sachliche Wertung der Staatsanwaltschaft wird sich ggf. vortragen lassen, dass diese bei der Verfassung der Anklageschrift nur diejenigen Beweismittel berücksichtigt hat, die für dessen Täterschaft sprechen. Die Verteidigung wird sich dann eingehend mit ggf. sich aus den Akten ergebenden Umständen auseinandersetzen zu haben.

Es kann vor allem dann empfehlenswert sein, Beweisverwertungsverbote vorzutragen, wenn deren Aufklärung im Freibeweisverfahren durch das Gericht angestrebt wird.

Soweit aus taktischen Gründen bis zur Anklageerhebung Beweisanträge hinsichtlich entlastender Beweistatsachen zurückgehalten wurden, mögen diese nunmehr gestellt werden. Wenn im Ermittlungsverfahren noch keine Verteidigungsaktivitäten entfaltet wurden, sollte dies spätestens im Zwischenverfahren nachgeholt werden.

Im Einzelfall mag ein Beweisantrag auf Einvernahme einzelner Zeugen auch deshalb zurückgestellt worden sein, da die Verteidigung eine richterliche Vernehmung anstrebt, an der Sie selbst teilnehmen und auch Fragen an den Zeugen richten darf (§ 168 Abs. 2 S. 2 StPO).

Schließlich wird insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens in diesem Verfahrensstadium zu beantragen sein, wenn ihr m Ermittlungsverfahren noch nicht nachgegangen wurde oder ein Sachverständigengutachten erstattet wurde, dass zu Ungunsten des Angeschuldigten ausgefallen ist. Für diesen Fall kann im Zwischenverfahren noch die Einholung eines Zweit- bzw. Obergutachtens beantragt werden.

4. Verteidigung gegen Beweiserhebungen des Gerichts

Das Gericht ist zu eigenen Ermittlungen gem. § 202 StPO im Zwischenverfahren befugt.

Solche Ermittlungen hat das Gericht allerdings dann zu unterlassen, wenn der Tatverdacht aufgrund des Akteninhalts zu bejahen oder zu verneinen ist. Eine Nachholung des Ermittlungsverfahrens kommt nicht in Betracht.

Soweit solche Bestrebungen von Seiten des Gerichts erkennbar werden, hat die Verteidigung dem entgegenzuwirken.

5. Absprachen im Zwischenverfahren

Gespräche mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft – ggf. in einem persönlichen Erörterungstermin unter Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligter – können im Zwischenverfahren sinnvoll sein.

Bereits die Erörterung des organisatorischen und technischen Ablaufs der Hauptverhandlung ermöglicht der Verteidigung eine effektivere Vorbereitung darauf.

Ausgelotet werden kann, ob das Gericht ggf. zu einer einschränkenden Eröffnung des Hauptverfahrens tendiert.

Auch mag abgestimmt werden, ob nicht ggf. noch eine Einstellung aus Opportunitätsgründen in Betracht kommt. Soweit dies ggf. zuvor von der Staatsanwaltschaft abgelehnt worden war, mag diese sich möglicherweise vom Gericht davon überzeugen lassen, ihre Haltung zu ändern.

Ausgeforscht werden mag auch die Erfolgsaussicht einzelner Anträge der Verteidigung, insbesondere etwaiger Beweisanträge, Aussetzungsanträge oder Verweisungsanträge.

Weiterhin können im Zwischenverfahren auch Gespräche hinsichtlich einer potenziellen Verständigung gem. § 257c StPO geführt werden, dies allerdings nur dann verbindlich, wenn die Schöffen auch daran teilnehmen.

6. Zuständigkeit und Besetzung des Gerichts

Im Einzelfall wird es sich empfehlen die Zuständigkeit des Gerichts zu rügen.

Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts mag gerügt werden einerseits, damit am Wohnort des Angeschuldigten aus Gründen der einfacheren Anreise verhandelt wird oder andererseits, damit an einem anderem als dem Wohnort des Angeschuldigten verhandelt wird, um öffentliches Aufsehen zu vermeiden.

Die sachliche Zuständigkeit mag vor Allem gerügt werden, wenn die Verhandlung vor einem Gericht mit niedrigerer Strafgewalt in Betracht kommt. Zum einen dient dies dem Schutz des Angeschuldigten vor einer Strafe über die Strafgewalt des Gerichts niedrigerer Ordnung hinaus. Zum Anderen gewinnt er damit eine Instanz, wenn das Verfahren statt vor dem Landgericht vor dem Amtsgericht verhandelt wird. Diese Rüge ist zwingend im Zwischenverfahren zu erheben. Ein Gericht höherer Ordnung kann sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht für unzuständig erklären, weil ein Gericht niedrigerer Ordnung zuständig wäre.

Die funktionelle Zuständigkeit ist zu rügen, wenn ein Verfahren wahlweise eher vor der allgemeinen oder der Wirtschaftsstrafkammer eines Landgerichts als optimal aufgehoben betrachtet wird.

Die Mitteilung der Besetzung des Gerichts an den Angeschuldigten löst unabhängig vom einer Mitteilung gegenüber dem Verteidiger sowohl die Ein-Wochen-Frist zur Anbringung einer Besetzungsrüge aus als auch ab diesem Zeitpunkt ggf. unverzüglich ein Befangenheitsantrag hinsichtlich eines Richters zu stellen ist, bezüglich dessen seitens des Angeschuldigten die Besorgnis der Befangenheit besteht. Auch können Sachverständige bereits im Zwischenverfahren wegen Befangenheit abgelehnt werden.

Ob solche Rügen und Anträge im Zwischenverfahren erhoben werden sollen, ist zwischen Verteidiger und Mandant intensiv zu beraten. Der Mehrwert solcher Maßnahmen kann im Einzelfall gering ausfallen. Das Verfahren wird dadurch zwar verzögert, was im Einzelfall möglicherweise im Interesse des Mandanten liegt. Zugleich kann der daraus resultierende Arbeitsaufwand für das Gericht bei dessen Richtern ggf. Missstimmungen auslösen, die – je nach Verteidigungsstrategie – dem Anliegen der Verteidigung möglicherweise zuwider laufen.

7. Verfahrenshindernisse

Schwerpunkt der Verteidigung im Zwischenverfahren sollte die Geltendmachung von Verfahrenshindernissen sein.

Diese können im Freibeweisverfahren durch das Gericht aufgeklärt werden, was im Einzelfall, z.B. bei der Frage des Vorliegens einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation, sehr vorteilhaft sein kann.

Zugleich führt das Vorliegen von Verfahrenshindernissen am sichersten zu einer Einstellung des Verfahrens entweder vorläufig gem. § 205 StPO oder endgültig gem. § 206a StPO.

7.1 Strafklageverbrauch

Ein Strafklageverbrauch gem. Art 103 Abs. 3 GG nach dem Grundsatz „ne bis in idem“ liegt vor, wenn der Angeschuldigte wegen der ihm zu Last gelegten Tat bereits rechtskräftig verurteilt wurde. Dies gilt hinsichtlich Vergehenstatbeständen auch für Einstellungen gem. Art. 153 StPO und § 153a StPO. Gem. Art 54 des Schengener Abkommens (SDÜ) haben auch Verurteilungen im europäischen Ausland einen Strafklageverbrauch zur Folge. Bereits die anderweitige Rechtshängigkeit strafrechtlicher Vorwürfe ist ein Verfahrenshindernis, da sie zu einer Doppelbestrafung führen kann.

7.2 Verjährung

Weiterhin praxisrelevant ist die Verjährung von Vorwürfen, was einerseits bei Vorwürfen mit besonders kurzen Verjährungsfristen naheliegt, wie insbesondere bei Presseinhaltsdelikten und Ordnungswidrigkeiten, und andererseits bei Verfahren besonders großen Umfangs und komplexer Materie wie Wirtschaftsstrafverfahren und Steuerstrafverfahren, die sich ggf. erheblich in die Länge ziehen.

7.3 Verhandlungsunfähigkeit

Ebenso bedeutsam ist das Vorliegen einer dauernden oder vorübergehenden Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten. Verhandlungsfähigkeit ist nicht nur die Fähigkeit, dem Verfahren folgen zu können. Dazu gehören auch die Fähigkeiten, die Bedeutung des Verfahrens und einzelner Verfahrensakte erkennen zu können sowie sich sachgerecht verteidigen zu können. Diesbezüglicher Vortrag wird maßgeblich mittels ärztlicher Berichte der behandelnden Ärzte des Angeschuldigten zu führen sein sowie ggf. mithilfe ärztlicher Privatgutachten. Regelmäßig wird das Gericht darüber hinaus ggf. einen eigenen Sachverständigen einsetzen, um die Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten überprüfen zu lassen.

7.4 Rechtsstaatswidrige Tatprovokation

Auch im Falle einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation liegt – nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BGH – ein Verfahrenshindernis vor. Dies ist dann der Fall, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson oder ein verdeckte Ermittler stimulierend auf einen Täter einwirken und dadurch dessen Tatbereitschaft wecken oder diesen zur Intensivierung seiner Tatplanung veranlassen. Dies ist dann der Fall, wenn die Einwirkung im Verhältnis zum ursprünglichen Tatverdacht unvertretbar übergewichtig ist. Eine derartige Konstellation wird regelmäßig in Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität vorkommen, vor allem in Betäubungsmittelverfahren.

7.5 Verfahrensverzögerung

Höchst ausnahmsweise kann auch ein Verfahrenshindernis vorliegen wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung. Dabei sind nicht nur Verfahrensverzögerungen aus der Vergangenheit zu berücksichtigen, sondern auch solche, die zu prognostizieren sind.

7.6 Mängel der Anklageschrift

Auch Mängel der Anklageschrift können zu einem Verfahrenshindernis führen. Die Anklageschrift hat einerseits eine Umgrenzungsfunktion, d. h. sie grenzt in sachlicher und persönlicher Hinsicht den Gegenstand des Verfahrens ein, über den das Gericht zu entscheiden hat. Ihr kommt andererseits eine Informationsfunktion dergestalt zu, dass sie den Angeklagte, über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe unterrichtet.

Für den Fall, dass die Anklage Ihrer Umgrenzungsfunktion nicht genügt, ist sie unwirksam und es liegt ein Verfahrenshindernis vor. Dann entfaltet die Anklageerhebung auch keine verjährungsunterbrechende Wirkung. Im Fall der Verletzung der Informationspflicht liegt hingegen nur ausnahmsweise in besonders gravierenden Fällen ein Verfahrenshindernis vor.

1. Bedingungen der Hauptverhandlung

Das Hauptverfahren ist von dem Umstand bestimmt, dass das erkennende Gericht bereits durch die Eröffnung des Hauptverfahrens eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Verurteilung des Angeklagten festgestellt hat.

Der Verfahrensabschnitt der Hauptverhandlung beinhaltet sowohl deren Vorbereitung als auch Durchführung, die abgesehen von Verfahren gegen Jugendliche oder bei Vernehmung von besonders schutzwürdigen Zeugen in der Öffentlichkeit stattfindet.

2. Vorbereitung der Hauptverhandlung

In der Vorbereitung der Hauptverhandlung hat der Verteidiger im Wesentlichen die gleichen Verteidigungsmöglichkeiten wie auch bereits im Ermittlungsverfahren und im Zwischenverfahren.

Als Prozesshindernis wird die Verteidigung in diesem Stadium insbesondere eine etwaige Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten mittels ärztlicher Atteste und ggf. Gutachten vortragen.

Weiterhin bietet es sich in diesem Verfahrensstadium an, eine etwaige örtliche Unzuständigkeit des Gerichts zu rügen, die wegen der erfolgten Eröffnung des Hauptverfahrens dann nicht mehr durch Rücknahme und neuerliche Erhebung der Anklage bei dem örtlich zuständigen Gericht durch die Staatsanwaltschaft geheilt werden.

Die Rüge der sachlichen Unzuständigkeit des Gerichts führt im Fall der Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung zu einer Verweisung an dieses. Die sachliche Unzuständigkeit besonderer Strafkammern (z. B. Schwurgericht oder Wirtschaftsstrafkammer) ist zu rügen und nicht von Amts wegen zu prüfen.

Steht das Prozesshindernis der Tatprovokation im Raum, d. h. die Provokation des Angeklagten zur Begehung von Straftaten durch Vertrauenspersonen oder verdeckte Ermittler der Polizei bezüglich solcher Straftaten, zu denen der Angeklagte nicht ohne weiteres bereit war, ist in der Vorbereitung der Hauptverhandlung bereits die Vernehmung solcher „agents provocateurs“ zu besorgen.

Nach Mitteilung der Besetzung des Gerichts muss die Verteidigung binnen einer Woche organisatorische Mängel dessen Besetzung rügen, damit die Besetzungsrüge nicht verfristet. Der Besetzungseinwand hat die Tatsachen anzugeben, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll. Diese ergeben sich aus dem Geschäftsverteilungsplan und den diesen fortschreibenden Präsidiumsbeschlüssen, den Unterlagen zur Bestimmung des Vorsitzenden, dem kammerinternen Geschäftsverteilungsplan, der Schöffen- und Hilfsschöffenliste, den Unterlagen über die Schöffenwahl sowie den Unterlagen über Verhinderungen und Vertreterbestellungen. Da die Verteidigung darauf verwiesen werden kann, diese Unterlagen auf der Geschäftsstelle des jeweiligen Gerichts einzusehen und wegen des damit regelmäßig verbundenen Zeitaufwands, wird die Entscheidung, ob ggf. eine Besetzungsrüge erhoben werden soll, bereits deutlich früher zu treffen sein, damit sich die Verteidigung rechtzeitig in Kenntnis über die relevante Rechtslage versetzen kann.

Soll ein Richter oder Sachverständiger abgelehnt werden – in der Regel wegen Besorgnis der Befangenheit – so ist dies im Zuge der Vorbereitung der Hauptverhandlung ab Mitteilung der Besetzung bzw. des eingesetzten Sachverständigen unverzüglich zu tun. Dabei ist besonders zu beachten, dass die Besetzungsmitteilung ggf. wirksam nur dem Angeklagten zugestellt wird und dies den Fristlauf in Gang setzt.

Beweisanträge sind im Zeitpunkt der Vorbereitung der Hauptverhandlung nur durch den Vorsitzenden Richter zu bescheiden. Beweisanträge werden nicht selten genutzt werden, um die Erfolgsaussichten der Verteidigungsstrategie in der Hauptverhandlung auszuloten. Diesen Zweck können sie im Stadium der Vorbereitung der Hauptverhandlung nicht erfüllen, weswegen sie zu diesem Zeitpunkt regelmäßig wenig sinnvoll sind, Hinzu kommt, dass die Strategie der Verteidigung eilfertig offengelegt wird, so dass sich auch die Staatsanwaltschaft darauf einstellen kann,

Die Phase der Vorbereitung der Hauptverhandlung kann von der Verteidigung insbesondere dafür genutzt werden, um Zeugen und Sachverständige selbst zu laden, um sie dann als präsente Beweismittel in der Hauptverhandlung zu präsentieren. Dazu ist eine förmliche Ladung durch einen Gerichtsvollzieher erforderlich und die voraussichtlichen Auslagen für die Zeugen bzw. Sachverständigen sind bei der Ladung in bar darzubieten oder bei der Geschäftsstelle des erkennenden Gerichts (nicht der Hinterlegungsstelle) zu hinterlegen. Die Ladung ist dann ebenso wie eine gerichtliche Ladung verbindlich. Die Staatsanwaltschaft ist darüber zu informieren. Wegen des erheblichen Zeitlaufs, der mit den vorbeschriebenen Umständen einhergeht, wird eine Ladung von Zeugen und Sachverständigen durch die Verteidigung während einer laufenden Hauptverhandlung rechtzeitig kaum zu bewirken sein.

Darüber hinaus bietet sich vor Allem bei Verfahren von besonderem Umfang ein Erörterungsgespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten unter Ausschluss der Angeklagten an, um einerseits den Gang der Hauptverhandlung zu besprechen aber auch ggf. eine mögliche förmliche Verständigung.

3. Hauptverhandlung

In der Hauptverhandlung hat der Vorsitzende Richter die Sachleitung und bestimmt damit über den Ablauf der Hauptverhandlung. Die Verteidigung hat hierauf im Einzelnen keinen Einfluss, sondern untersteht im Wesentlichen dem Diktat des Vorsitzenden. Der Vorsitzende hat im Übrigen die sitzungspolizeiliche Verfügungsgewalt und kann Missverhalten in der Hauptverhandlung ahnden. Allein der Verteidiger unterliegt nicht der Sitzungspolizei.

Die Verteidigung hat grundsätzlich nur wenig formale Einwirkungsmöglichkeiten auf den Ablauf der Hauptverhandlung.

4. Einlassung und Aussage-Coaching

Zunächst kann die Verteidigung maßgeblich auf die Hauptverhandlung nehmen durch die – gemeinsam mit dem Angeklagten zu treffende – Entscheidung, ob dieser sich zur Sache einlässt und falls ja, ob bestreitend oder geständig.

Zu entscheiden ist weiterhin über den Zeitpunkt der Einlassung. Bei einer durchdachten Verteidigungsstrategie wird diese in aller Regel zu Beginn der Hauptverhandlung zu erfolgen haben. Nur in Ausnahmefällen werden ggf. die Aussagen einzelner Zeugen noch abzuwarten sein, um danach den Inhalt einer Einlassung festzulegen.

Die Einlassung kann auch durch eine Erklärung der Verteidigung abgegeben werden, dies wiederum rein mündlich oder schriftlich.

Für eine schriftliche Einlassung spricht, dass damit Missverständnissen von vornherein vermieden werden können.

Vor dem Einzelrichter und dem Schöffengericht wird ein sog. Wortprotokoll geführt. Im Zuge dessen werden auch die wesentlichen Ergebnisse von Vernehmungen protokolliert. Dabei besteht immer das Risiko, dass die Einlassung des Angeklagten nicht richtig aufgenommen wird.

Vor dem Landgericht und Oberlandesgericht als Tatsacheninstanz werden Vernehmungen nicht protokolliert. Eine rein mündliche Einlassung bietet hier den Vorteil, dass der Angeklagte darauf im Nachhinein nicht festgelegt werden kann, etwa im Zuge späterer Zeugenvernehmungen in Verfahren gegen andere Personen, die ggf. an dem Tatkomplex beteiligt waren, wegen dem er angeklagt wurde.

Im Fall einer mündlichen Einlassung des Angeklagten selbst, hat die Verteidigung die Möglichkeit Fragen einzelner Verfahrensbeteiligter nicht zur Beantwortung zu stellen. Sie kann so eine besonders provokative Befragung durch die Staatsanwaltschaft oder andere Verteidiger und Nebenklagevertreter verhindern.

Eines der wesentlichen, wenngleich nicht in der Strafprozessordnung geregelten, Instrumente der Verteidigung, ist das Aussage-Coaching, d. h. die Vorbereitung einer mündlichen Einlassung durch den Angeklagten selbst.

Ein Aussage-Coaching kommt gleichermaßen für bestreitende wie geständige Einlassungen in Betracht, wird sich aber regelmäßig im Fall einer geständigen Einlassung anbieten.

Der Verteidiger wird im Zuge dessen den Angeklagten nicht nur mit der Vernehmungssituation in der Hauptverhandlung vertraut machen, um zu verhindern, dass dieser aus Nervosität heraus sich ungünstig ausdrückt.

Der Verteidiger wird dem Angeklagten insbesondere dabei helfen, dass dessen Aussage sich nicht in Widerspruch zu der sich aus der Akte ergebenden Beweissituation setzt. Andernfalls würde der Angeklagte sich zum Beweismittel gegen sich selbst machen, indem ihm Widersprüche zu nicht abstreitbaren Tatsachen so ausgelegt würden, dass seine Einlassung eine bloße Schutzbehauptung sei.

Darüber hinaus wird der Verteidiger dem Angeklagten helfen, „die optimale Version der Wahrheit“ zu schildern und dies in leicht verständlichen Worten, die auch seine persönliche Situation und ggf. Betroffenheit deutlich werden lassen.

Indem der Angeklagte als Person und mit seinen charakterlichen Besonderheiten wahrnehmbar gemacht wird, wird er als Individuum zum Gegenstand des Verfahrens und nicht als im Ergebnis Anonymer.

5. Zeugenvernehmung

Obgleich Zeugen wegen den Mängeln der menschlichen Erinnerungsfähigkeit die schlechtesten Beweismittel in einem Strafverfahren sind, sind sie für die Beweisführung der Staatsanwaltschaft häufig die bedeutendsten.

Die Verteidigung hat darauf zu achten, dass ein Zeuge zunächst einen zusammenhängenden Bericht über den Gegenstand seiner Vernehmung abgibt, Je nach Lage des Einzelfalls wird der Verteidiger darauf hinwirken, dass der Bericht eher ausführlich oder eher möglichst knapp ausfällt.

Der Vorhalt von Urkunden, Protokollen, Tonbändern und Bild-Ton-Aufnahmen ist zulässig zur Stimulierung der Erinnerung des Zeugen als auch um Widersprüche aufzuklären. Die Verteidigung sollte darauf hinwirken, dass Vorhalte nicht allzu ausufernd erfolgen und im Ergebnis die Vernehmung des Zeugen durch die ihm gemachten Vorhalten ersetzt wird, indem der Zeuge diese nur noch bestätigt.

Sofern einem Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht – gleich ob aus Anlass der Verwandtschaft zu dem Angeklagten oder aus seiner beruflichen Stellung – ist der Verteidiger berechtigt, auf den Zeugen dahingehend einzuwirken, dieses auszuüben.

Sofern ein Zeuge durch seine Aussage sich ggf. selbst der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzt, ist er zur Verweigerung der Aussage berechtigt. Im Einzelfall wird es Sinn machen, wenn die Verteidigung dies gegenüber dem Zeugen verdeutlicht.

In der Regel werden Zeugen zunächst vom Gericht, sodann der Staatsanwaltschaft, dann ggf. der Nebenklagevertretung und schließlich dann erst von der Verteidigung befragt.

Die zielführende Befragung von Zeugen durch die Verteidigung bedarf einerseits großer Erfahrung im Bereich der Vernehmungstechnik und andererseits eine umfassende Aktenkenntnis.

Grundsätzlich sollten Zeugen nur solche Fragen gestellt werden, deren Antwort im Sinne des Angeklagten vorhersehbar und für diesen günstig sind. Zur Erzielung solcher Antworten bedarf es im Einzelfall einer gewissen vernehmungstechnischen List, um dem Zeugen die entsprechende Antwort abzunötigen.

Zu berücksichtigen sind dabei die Motive des Zeugen und dessen Stellung zum Prozessgegenstand und dem Angeklagten.

Zeugen, die im Lager des Angeklagten stehen, müssen eher vor einer listigen Befragung anderer Verfahrensbeteiligter bewahrt werden.

Belastungszeugen werden selten durch eine konfrontative Befragung diejenigen Beweistatsachen preisgeben, die für den Angeklagten günstig sind.

Schließlich hat die Verteidigung darauf zu achten, dass Zeugen nur zulässige Fragen gestellt werden.

Unzulässig sind etwa Fragen nach Werturteilen. Zeugen sind schließlich Beweismittel für bestimmte Beweistatsachen. Wertungen sind den Verfahrensbeteiligten zu überlassen.

Unzulässig sind weiterhin für den Zeugen individuell unverständliche sowie rein hypothetische Fragen.

Unzulässig sind auch Fragen, die eine Täuschung oder Drohung beinhalten.

Für die Praxis besonders relevant ist insbesondere die Unzulässigkeit von Wiederholungsfragen.

Verboten sind auch Suggestivfragen, die die Antwort auf die Frage bereits vorgeben.

Auch nicht zur Sache gehörende Fragen sind unzulässig, wobei sehr weit auszulegen ist, was noch zur Sache gehört. Nicht zur Sache gehörig sind nur solche Fragen, die sich nicht einmal mehr mittelbar auf die verhandelte Tat und deren Rechtsfolgen beziehen,

Die Verteidigung hat die Möglichkeit die Vereidigung eines Zeugen zu beantragen, wenn dessen Aussage von ausschlaggebender Bedeutung ist oder um eine wahre Aussage herbeizuführen. Wenngleich das insoweit vom Gericht auszuübende Ermessen in der Revision nur eingeschränkt überprüft wird, kann ein entsprechender Antrag der Verteidigung insbesondere in der konkreten Situation ggf. den Zeugen zur Änderung seiner Aussage bewegen, um einer Strafbarkeit wegen eines potenziellen Meineids zu umgehen.

Ist ein Zeuge erst entlassen, kann er von den Verfahrensbeteiligten nicht mehr befragt werden. Die Verteidigung ist zur Entlassung eines Zeugen anzuhören. Sollte sie ggf. insbesondere nach der weiteren Beweisaufnahme potenziell noch Fragen an den Zeugen haben, sollte sie dessen Entlassung nicht zustimmen. Ein Beweisantrag auf die neuerliche Vernehmung eines Zeugen ist nämlich in aller Regel wenig erfolgversprechend.

6. Sachverständigengutachten

Sachverständigengutachten werden immer dann eingeholt, wenn das Gericht nicht die erforderliche Sachkunde besitzt.

Sie werden von Sachverständigen erstattet, d. h. von Personen, die über die erforderliche Sachkunde verfügen. In der Regel folgt dies aus Ihrer Ausbildung und konkret ausgeübten Tätigkeit.

Sachverständigengutachten bieten Chancen und Risiken zugleich, da die mit einem Sachverständigengutachten zunächst erwiesenen Tatsachen nur noch schwer und unter besonderen Voraussetzungen erschüttert werden können.

Gutachten, die zum Nachteil des Angeklagten ausgefallen sind, sind leicht geeignet dessen Verurteilung nachhaltig zu stützen.

Gutachten, die zu Gunsten des Angeklagten ausgefallen sind, können ebenso schwer nur noch erschüttert werden.

Überprüft werden kann grundsätzlich nur die Methodik eines Sachverständigengutachtens.

Nur für den Fall mangelnder Sachkunde oder einer sog. Kehrtwende des Sachverständigen ist das Gericht von Amts wegen veranlasst, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.

Im Übrigen ist das Gericht von sich aus nur dann gehalten ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, wenn es einem vorliegenden Gutachten nicht folgen will.

Da ein Sachverständigengutachten nur mündlich zu erstatten ist, ist von der Verteidigung darauf zu achten, dass ein schriftliches Vorgutachten erstattet wird, damit daran die Methodik des Sachverständigen geprüft werden kann sowie Widersprüche oder mangelnde Sachkunde daraus abgeleitet werden können.

Sofern Sachverständige richterlich vernommen wurden oder im Wege einer Bild-Ton-Aufzeichnung, können die Vernehmung verlesen und die Aufzeichnung vorgeführt werden sowohl um die Erinnerung aufzubessern als auch, um Widersprüche aufzuklären, wie dies auch für Zeugenvernehmungen möglich ist.

Hinsichtlich der Zulässigkeit von Fragen an Sachverständige gilt grundsätzlich nichts anderes als für Zeugen.

Darüber hinaus sind solche Fragen an Sachverständige unzulässig, die über den Gutachtenauftrag hinausgehen.

7.  Urkunden

Urkunden sind das zuverlässigste Beweismittel im Strafverfahren.

Sie werden grundsätzlich durch Verlesung in das Hauptverfahren eingeführt, können aber auch durch das sog. Selbstleseverfahren eingeführt werden, d. h. die so einzuführenden Urkunden werden den Verfahrensbeteiligten benannt und ggf. zur Verfügung gestellt und werden sodann von diesen selbst gelesen, was hernach zu Protokoll festgestellt wird.

Die Verteidigung muss hiergegen ggf. unverzüglich nach der entsprechenden Anordnung widersprechen. Dies wird sich vor Allem dann anbieten, wenn dadurch dem Angeklagten die einlassungsweise Stellungnahme zu diesen Urkunden abgeschnitten wird.

Auch Protokolle über Vernehmungen von Angeklagten, Zeugen, Sachverständigen und Erklärungen von diesen Personen mit vernehmungsgleichem Inhalt sind Urkunden.

Sie dürfen aber wegen des Unmittelbarkeitsprinzips nicht ohne Weiteres in der Hauptverhandlung verlesen werden.

Für Vernehmungen, die nicht von einem Richter durchgeführt wurden bzw. Erklärungen, gilt das Folgende:

Bei einem verteidigten Angeklagten ist die Zustimmung des Angeklagten, dessen Verteidigers und des Staatsanwalts erforderlich. Ist der Angeklagte nicht verteidigt, können mit seiner und der Zustimmung des Staatsanwalts nur Vernehmungsprotokolle und Erklärungen verlesen werden, die der Besttätigung des Geständnisses des Angeklagten dienen.

Keiner Zustimmung der Verfahrensbeteiligten bedarf es, wenn Vernehmungsprotokolle oder Erklärungen verlesen werden und die vernommene Person verstorben ist oder aus anderen Gründen in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann. Verlesbar sind danach vor Allem Aussagen von V-Personen, deren Identität von der obersten Dienstbehörde nicht preisgegeben wird oder die keine Aussagegenehmigung erhalten.

Verlesbar sind weiterhin Vernehmungsprotokolle und Erklärungen, soweit sie die Höhe eines Vermögensschadens betreffen.

Für richterliche Vernehmungen gilt dagegen das Folgende:

Sie dürfen verlesen werden, wenn die vernommene Person für längere oder unabsehbare Zeit maßgeblich wegen Krankheit nicht zu einer Vernehmung erscheinen kann.

Bei Zeugen und Sachverständigen genügt weiterhin, wenn diesen wegen der Entfernung zum Gerichtsort und im Hinblick auf die Bedeutung ihrer Aussage ein Erscheinen nicht zugemutet werden kann.

Im Übrigen dürfen richterliche Vernehmungsprotokolle auch immer mit Zustimmung des Staatsanwalts, des Verteidigers und des Angeklagten verlesen werden.

Wann immer Erklärungen oder Vernehmungsprotokolle zu anderen Zwecken verlesen werden sollen als zur Urteilsfindung, ist dies grundsätzlich möglich; vor Allem, wenn dies der Entscheidung darüber dienen soll, ob die vernommene Person geladen werden soll.

Darüber hinaus dürfen bestimmte Urkunden grundsätzlich verlesen werden.

Dies sind zunächst Erklärungen, die ein Zeugnis oder Gutachten öffentlicher Behörden, allgemein vereidigter Sachverständiger oder Ärzten eines gerichtsärztlichen Diensts enthalten.

Weiterhin fallen darunter ärztliche Atteste über Körperverletzungen und ärztliche Berichte zur Entnahme von Blutproben.

Auch Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers, die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich seiner Rückrechnung können ohne Weiteres verlesen werden.

Vor Allem aber auch Ermittlungsberichte der Strafverfolgungsbehörden können ohne Vernehmung der Beamten verlesen werden, die sie gefertigt haben.

8. Augenschein

Die Inaugenscheinnahme ist ein subsidiäres Beweismittel, dass grundsätzlich im Zuge der Einvernahme anderer Beweismittel in das Hauptverfahren einzuführen ist, insbesondere im Zuge von Zeugenvernehmungen.

Bei Augenscheinseinnahmen außerhalb der Hauptverhandlung, sog. Ortsterminen, haben die Staatsanwaltschaft, die Verteidigung und der Angeklagte ein Anwesenheitsrecht.

Für einen in Haft befindlichen Angeklagten, der einen Verteidiger hat, besteht dieses Recht nur sehrt eingeschränkt.

Ein von dem Angeklagten beauftragter Sachverständiger ist ebenfalls berechtigt, an auswärtigen Augenscheinseinnahmen teilzunehmen, wenn ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger dazu geladen wurde. Sofern der vom Angeklagten beauftragte Sachverständige dazu vom Gericht nicht geladen wurde, kann dies durch die Verteidigung veranlasst werden. Der vom Angeklagten beauftragte Sachverständige ist lediglich gehalten, den vom Gericht beauftragten Sachverständigen nicht zu behindern.

9. Prozesshindernisse

Die Rüge mangelnder Verfahrensvoraussetzungen und Prozesshindernisse in der Hauptverhandlung selbst wird regelmäßig nur in den Fällen in Betracht kommen, die sich auch in der Vorbereitung der Hauptverhandlung anbieten, d. h. im Fall der Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten oder der örtlichen Unzuständigkeit des Gerichts.

Die Übrigen im Zusammenhang mit dem Ermittlungs- und Zwischenverfahren dargestellten Prozesshindernisse dürften bereits spätestens im Zwischenverfahren zur Nichteröffnung des Hauptverfahrens geführt haben. Deren Rüge wäre daher nur bedingt, wenn das Gericht diese beharrlich übergegangen hätte.

Einzig das Prozesshindernis der Tatprovokation bedarf insbesondere in der Beweisaufnahme besonderer Beachtung durch die Verteidigung. So ist ggf. verwaltungsgerichtlich darauf hinzuwirken, dass Vertrauenspersonen bzw verdeckten Ermittlern Aussagegenehmigungen erteilt und diese – ggf. unter Wahrung deren Anonymität – vernommen werden.

Entsprechende Beweisanträge sind ggf. zu stellen.

10. Beweisverwertungsverbote

Die Geltendmachung von Beweisverwertungsverboten in der Hauptverhandlung hat bis spätestens unmittelbar nach Einvernahme eines Beweismittels diesbezüglich zu erfolgen.

Andernfalls ist er Angeklagte in der Revision mit dem Vortrag, ein Beweismittel habe einem Beweisverwertungsverbot unterlegen, präkludiert.

Diese Rechtsprechung zur sog. Rügepräklusion hat der Bundesgerichtshof ständig erweitert.

Sofern Beweisverwertungsverbote geltend gemacht werden, müssen diese auch umfassend begründet werden und zusätzlich so rechtzeitig angebracht werden, dass der Vorsitzende Richter seine Verhandlungsleitung darauf einstellen kann.

Empfehlenswert ist daher sämtliche zu rügende Beweisverwertungsverbote zu Beginn der Hauptverhandlung mit einem zu verlesenden Schriftsatz zu rügen, der sodann zu Protokoll gereicht wird.

11. Beweisanträge

Beweisanträge sind das maßgebliche Instrument der Verteidigung in der Hauptverhandlung, um auf diese Einfluss zu nehmen.

Mittels Beweisanträgen vermag die Verteidigung zu bewirken, dass das Gericht die Beweisaufnahme auf Beweismittel erstreckt, die es ursprünglich nicht einvernehmen wollte.

Aus der Sachleitung des Vorsitzenden Richters folgt, dass dieser einem Beweisantrag stattgeben und die begehrte Beweisaufnahme anordnen kann.

Die Ablehnung des Beweisantrages bedarf dagegen grundsätzlich eines Gerichtsbeschlusses des gesamten Gerichts.

Beweisanträge müssen grundsätzlich mündlich gestellt werden.

Es empfiehlt sich, sie schriftlich vorzubereiten, zu verlesen und sodann zu Protokoll zu reichen, um im Hinblick auf eine etwaige Revision sicherzustellen, dass der konkrete Wortlaut des Antrags Gegenstand des Hauptverhandlungsprotokolls wird.

Im Fall der Ablehnung eines Beweisantrages ergeben sich daraus für die Revisionsinstanz Rügemöglichkeiten für den Angeklagten, die ggf. zur Aufhebung des Urteils führen.

Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende im Übrigen Fristen setzen binnen derer Beweisanträge zu stellen sind. Nach Ablauf der Fristen sind die Beweisanträge erst durch das Urteil zu bescheiden, genau wie bei Hilfsbeweisanträgen, die von der Verteidigung erst im Plädoyer gestellt werden für den Verurteilungsfall.

11.1. Wirksamer Beweisantrag

Die Verteidigung hat darauf zu achten, grundsätzlich nur materiell wirksame Beweisanträge zu stellen.

Ein solcher zeichnet sich dadurch aus, dass er sich auf eine bestimmte Beweistatsache richtet, d. h. dasjenige, was mit dem jeweiligen Beweismittel unmittelbar bekundet werden soll. Davon strikt zu unterscheiden ist das Ziel des Beweisantrags, dass gerade nicht dessen unmittelbarer Gegenstand sein kann. Sicherheitshalber sollte die Verteidigung auch immer vortragen, aus welchem Grund das benannte Beweismittel geeignet ist, die in Rede stehende Beweistatsache zu bekunden (sog. Konnexität im weiteren Sinne).

Unzulässige Beweisanträge sind nicht zu bescheiden.

Unzulässig ist ein Beweisantrag, wenn er rechtsmissbräuchlich nur zur Prozessverschleppung gestellt wurde, wenn in Ermangelung des Vortrags einer konkreten Beweistatsache lediglich ein Beweisermittlungsantrag gestellt wurde oder wenn er sich auf ein Beweismittel richtet, das einem Beweisverwertungsverbot unterliegt.

11.2. Gründe für die Ablehnung von Beweisanträgen und deren Bedeutung für die Verteidigung

Die gesetzlich normierten Ablehnungsgründe geben der Verteidigung mitunter Aufschluss darüber, wie das erkennende Gericht zu der mit dem Beweisantrag verfolgten Verteidigungsstrategie steht; dies allerdings nur unter der Prämisse, dass die Anlehnung aus dem jeweiligen Grund tatsächlich rechtlich zutreffend erfolgt ist.

Lehnt das Gericht einen Beweisanatrag wegen Offenkundigkeit ab, kann dies sowohl aus Gründen der Allgemeinkundigkeit als auch der Gerichtskundigkeit geschehen.

Soweit die Anlehnung aus Gründen der Allgemeinkundigkeit erfolgt, wird das Gericht voraussichtlich die Quelle zu erkennen geben, aus der es die Offenkundigkeit ableitet, so dass die Verteidigung infolgedessen weiß, ob das Gericht die unter Beweis gestellte Tatsache als gegeben oder nicht gegeben ansieht.

Soweit die Ablehnung wegen Gerichtskundigkeit erfolgt, wird der Beweisbeschluss vermutlich diejenigen Umstände beinhalten, aus denen sich die Gerichtskundigkeit ergibt und diese werden regelmäßig den gleichen Rückschluss zulassen.

Eine spätere Beweiswürdigung des Gerichts lässt sich damit durch die Verteidigung antizipieren.

Für den Fall, dass das Gericht einen Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit ablehnt, muss es die Erwiesenheit der Beweistatsache unterstellen.

Das Gericht darf sich deshalb in seiner Urteilsbegründung nicht in Widerspruch zu den insoweit im Ablehnungsbeschluss enthaltenen Ausführungen setzen oder gar die Beweiswürdigung auf das Gegenteil der unter Beweistatsache gestellten Tatsache stützen.

Für den Fall der Ablehnung aus Gründen der Erwiesenheit ist für die Verteidigung die unter Beweis gestellte Tatsache mithin ebenfalls vom Gericht als gegeben hingenommen.

Dies bedeutet, dass es in Fällen der Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit oder Erwiesenheit gleochermaßen für das Gericht auf die Beweistatsache gar nicht ankommt oder diese im Einklang mit der von ihm beabsichtigten Beweiswürdigung steht.

Das Gericht hat aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme bereits für sich entscheiden, die unter Beweis gestellte Beweistatsache als erwiesen anzusehen.

Ergibt sich die Beweistatsache allein aus dem Geständnis des Angeklagten, so kann sich die Verteidigung sicher sein, dass das Gericht diesem in Bezug auf die Beweistatsache folgen will.

Eine Ablehnung eines Beweisantrags wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels wird der Verteidigung dagegen in aller Regel wenig Anhaltspunkte für Ihre Verteidigungsstrategie bieten als vielmehr Spielraum für eine darauf gestützte Verfahrensrüge in der Revision.

Der Ablehnungsgrund ist beschränkt auf Konstellationen, in denen die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels auf allgemein geltenden, nicht falsifizierbaren Erfahrungssätzen beruht, die insbesondere Ausnahmen nicht zulassen und damit auf seltene Ausnahmefälle objektiver Evidenz.

Auch der Ablehnungsgrund der Unerreichbarkeit bietet der Verteidigung keine wesentlichen Anhaltspunkte für die Haltung des Gerichts zu dem Prozessstoff.

Ein Beweismittel ist zunächst aus tatsächlichen Gründen unerreichbar, wenn es für die Hauptverhandlung dauerhaft, jedenfalls aber auf absehbare Zeit nicht verfügbar ist, insbesondere weil ein Weg, auf welchem es herbeigeschafft werden könnte, nicht bekannt ist und auch nicht ermittelt werden kann.

Von der Vernehmung von Auslandszeugen kann das Gericht bereits dann absehen, wenn es deren Vernehmung nicht für erforderlich hält.

Tut es dies nicht, so hat es wenigstens eine förmliche Ladung des Auslandszeugen, ggf. im Rechtshilfeweg, zu bewirken.

Erhebliche Behauptungen zur Entlastung des Angeklagten können zur Ablehnung eines Beweisantrags für wahr unterstellt werden.

Im Gegensatz zur Ablehnung eines Beweisantrags wegen Erwiesenheit der Beweistatsache erfordert die Wahrunterstellung keine Beweiswürdigung des Gerichts, sondern kann antizipatorisch erfolgen.

Für die Verteidigung lässt sich daraus indes insbesondere folgern, dass das Gericht die als wahr unterstellte Tatsache ohnehin zu Gunsten des Angeklagten werten will, ggf. aber nicht in dem Ausmaß, wie von der Verteidigung intendiert. 

Anträge auf Einvernahme von Augenschein können vom Gericht unter geringeren Anforderungen zurückgewiesen werden.

Ausreichend ist, wenn die Inaugenscheinnahme aus dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht des Gerichts nach dessen billigem Ermessen nicht erforderlich ist.

11.3. Gründe für die Ablehnung von Anträgen auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und deren Bedeutung für die Verteidigung

Sofern das Gericht einen Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen ablehnt wegen eigener Sachkunde, kann die Verteidigung erkennen, dass das Gericht die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht sieht.

Soweit dies ggf. fehlerhaft geschieht, kann die Verteidigung dies in der Revision rügen.

Wurde zu einer bestimmten Beweistatsache bzw. einem bestimmten Beweisthema bereits ein Sachverständigengutachten eingeholt, so kann das Gericht den Antrag auf Vernehmung eines weiteren Sachverständigen bereits deshalb ablehnen, weil es aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens das Gegenteil der zu erweisenden Tatsache als erwiesen ansieht.

Nur ausnahmsweise kann das Gericht einen entsprechenden Antrag nicht ablehnen.

Dies ist zunächst der Fall, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist.

Dies wird vor Allem dann der Fall sein, wenn der Gutachter einer sog. Kehrtwende vollzogen hat, dass heißt seine Auffassung in seiner Vernehmung im Verhältnis zu einem schriftlichen vorläufigen Gutachten erheblich ändert.

Darüber hinaus kann die Verteidigung dem Sachverständigen ggf. einen Mangel seiner Sachkunde mittels eines von ihr eingeholten methodenkritischen Gutachtens nachweisen, das seinerseits im Wege des Urkundsbeweises in das Verfahren eingeführt werden und im Übrigen zum Gegenstand des Beweisantrags auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bzw. der Vernehmung eines weiteren Sachverständigen gemacht werden kann.

Gleichlaufend kann in dem Ausnahmefall von der Verteidigung vorgegangen werden, dass das Gutachten des früheren Sachverständigen Widersprüche enthält.

Weiterhin liegen Ausnahmen vor, wenn der frühere Sachverständige von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder der neue Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel verfügt.

11.4. Präsente Beweismittel

Sofern die Verteidigung durch entsprechende eigene Ladung Zeugen oder Sachverständige herbeischafft oder Urkunden oder Augenscheinbeweis in der Hauptverhandlung vorhält und einen darauf gerichteten Beweisantrag stellt, kann das Gericht diesen nur unter eingeschränkten Voraussetzungen ablehnen.

Ist die Beweiserhebung nicht schon unzulässig, kann es den Beweisantrag nur aus eingeschränkten Gründen zurückweisen.

Im Fall der Ablehnung wegen Erwiesenheit hat die Verteidigung grundsätzlich die Gewissheit, dass das Gericht sich nicht in Widerspruch zu der unter Beweis gestellten Tatsache setzen will.

Im Fall der Ablehnung wegen Offenkundigkeit, kann die Verteidigung schlussfolgern, ob das Gericht die Beweistatsache als gegeben oder nicht gegeben ansieht.

Der Fall der völligen Ungeeignetheit spielt aus antizipatorischen Gesichtspunkten für die Verteidigung kaum eine Rolle.

Bei präsenten Beweismitteln tritt an die Stelle einer Ablehnung des Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit eine Ablehnung lediglich bei fehlendem Sachzusammenhang.

Dazu muss zwischen Beweismittel und Beweistatsache jeder Sachbezug objektiv fehlen.

Eine Unterstellung der Gegebenheit einer Hilfs- oder Indiztatsache, ohne daraus einen Schluss für die Beweiswürdigung zu ziehen, kommt bei der Ablehnung wegen fehlenden Sachzusammenhangs nicht in Betracht.

Eine Ablehnung eines Beweisantrags auf Einvernahme präsenter Beweismittel, ist damit für das Gericht nur unter besonders hohen Hürden möglich.

Ist der Verteidigung besonders an der Einvernahme bestimmter Beweismittel gelegen, wird sie diese daher präsent in der Hauptverhandlung stellen.

12. Beanstandung der Verhandlungsleitung

Die Verteidigung und auch alle anderen Verfahrensbeteiligten können Anordnungen des Vorsitzenden als unzulässig beanstanden und deswegen die Entscheidung des Kollegialgerichts herbeiführen.

Anordnungen des Vorsitzenden in diesem Sinne sind alle Maßnahmen, mit denen er Einfluss auf den Verfahrensablauf und die Verfahrensbeteiligten nimmt.

Dies ist immer dann der Fall, wenn ein Verfahrensbeteiligter durch die Anordnung des Vorsitzenden in seinen Rechten beschränkt wird. Die Staatsanwaltschaft kann ausnahmsweise auch unabhängig davon die Sachleitung des Vorsitzenden beanstanden.

Unterlassene Entscheidungen können nur beanstandet werden, wenn zuvor ein Antrag auf deren Vornahme gestellt wurde.

Soweit dem Vorsitzenden ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zur Verfügung steht, kann seine Anordnung nur ausnahmsweise beanstandet werden, so etwa, wenn er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe missachtet, sachwidrige Erwägungen anstellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.

Eine Beanstandung kann frühestens mit Aufruf zur Sache erfolgen.

Ein diesbezüglicher Antrag ist zum Hauptverhandlungsprotokoll als wesentliche Förmlichkeit zu protokollieren.

Um Missverständnissen vorzubeugen, empfiehlt sich, einen entsprechenden Antrag schriftlich zu verfassen, zu verlesen und sodann zum Protokoll zu reichen.

Ein Anspruch auf umgehende Bescheidung besteht nicht. Der Vorsitzende kann die Entscheidung des Spruchkörpers zurückstellen.

Ausnahmsweise kann er selbst darüber entscheiden, wenn die Beanstandung nicht statthaft ist. Dies ist vor Allem dann der Fall, wenn der Beteiligte durch die Anordnung nicht beschwert ist oder nur die Unzweckmäßigkeit, nicht aber die Unzulässigkeit der Anordnung gerügt wird.

Der Zwischenrechtsbehelf der Sachleitungsbeanstandung hat maßgeblich revisionsrechtliche Bedeutung. Nur beanstandete Anordnungen können zum Gegenstand der Revision gemacht werden. Ohne Beanstandung ist der Angeklagte mit dem Vortrag, eine verfahrensleitende Anordnung des Vorsitzenden sei unzulässig gewesen, präkludiert.

Dies gilt allerdings nur, wenn der Angeklagte von einem Verteidiger verteidigt wird.

Folgend seien einige besonders relevante Beispiele für die Erhebung des Zwischenrechtsbehelfs gegeben.

Der Zwischenrechtsbehelf der Beanstandung der Verhandlungsleitung ist vor Allem relevant im Zusammenhang mit der Ausübung des Fragrechts. So kann in einem ersten Schritt beantragt werden, eine Frage eines anderen Verfahrensbeteiligten nicht zuzulassen und für den Fall, dass der Vorsitzende dem nicht entspricht, hierüber gerichtliche Entscheidung beantragt werden.

Umgekehrt kann mit dem Zwischenrechtsbehelf auch beanstandet werden, dass eine Frage der Verteidigung nicht zugelassen wurde oder deren Fragerecht generell eingeschränkt wird.

Mit dem Zwischenrechtsbehelf kann weiterhin eine Bescheidung eines Beweisermittlungsantrags erzwungen werden.

Weiterhin kann der Zwischenrechtsbehelf zulässig erhoben werden, wenn die Verteidigung darauf verwiesen wird, einen von ihr beabsichtigten Antrag zu einem späteren Zeitpunkt zu stellen.

Er kann auch dagegen erhoben werden, dass der Angeklagte nicht ausreichend angehört wurde oder ihm nicht ausreichend Gelegenheit zur Besprechung mit seinem Verteidiger gegeben wird.

Auch kann der Zwischenrechtsbehelf erhoben werden gegen die Nichtvereidigung eines Zeugen oder Sachverständigen oder gegen deren Entlassung für den Fall eines diesbezüglichen Widerspruchs durch die Verteidigung.

13. Ablehnungsanträge

Soweit der Angeklagte Ablehnungsgründe vor Beginn der Hauptverhandlung identifiziert, kann er einen darauf gestützten Ablehnungsantrag grundsätzlich bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zu dessen persönlichen Verhältnissen in der Hauptverhandlung stellen. Wurde allerdings in einem Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht die Gerichtsbesetzung vor Beginn der Hautverhandlung mitgeteilt, ist der Antrag bereits im Stadium der Vorbereitung der Hauptverhandlung unverzüglich zu stellen.

Ansonsten sind Ablehnungsanträge immer unverzüglich nach Bekanntwerden der sie begründenden Tatsachen in der Hauptverhandlung zu stellen.

Es können nicht nur Richter abgelehnt werden, sondern auch Schöffen sowie Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und andere als Protokollführer zugezogene Personen. Auch Sachverständige können abgelehnt werden, wie auch Rechtspfleger und Dolmetscher.

Ablehnungsgründe sind unter anderem, dass die jeweils abzulehnende Person selbst Verletzte der verfahrensgegenständlichen Tat ist oder sie in einem nahen persönlichen bzw. verwandtschaftlichen Verhältnis zu einem Beschuldigten oder Verletzten des Verfahrens steht, in der Sache in der Funktion eines anderen Verfahrensbeteiligten tätig war oder als Sachverständiger oder Zeuge vernommen wurde.

Weiterhin liegt ein Ablehnungsgrund vor, wenn die jeweilige Person an einer Entscheidung niederer Instanz in derselben Sache mitgewirkt hat oder vor einer Wiederaufnahme des Verfahrens.

Der in der Praxis wohl bedeutsamste Ablehnungsgrund ist die Besorgnis der Befangenheit, d. h. wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters bzw. einer anderen Gerichtsperson zu rechtfertigen.

Eine Befangenheit kann vor oder während der Hauptverhandlung vorliegen.

Sie ist insbesondere dann gegeben, wenn der Richter den Anschein erweckt, von der Schuld eines Angeklagten überzeugt zu sein, was sich insbesondere auch aus Umständen außerhalb des Verfahrens selbst ergeben kann. Auch die Art, wie er das Verfahren führt, kann die Besorgnis der Befangenheit begründen.

Ein Ablehnungsantrag ist bei dem erkennenden Gericht einzureichen und hat sämtliche Ablehnungsgründe zu beinhalten. Sofern die Ablehnungsgründe nicht gerichtsbekannt oder aktenkundig sind, sind sie glaubhaft zu machen mittels einfacher oder eidesstattlicher Erklärungen von Zeugen, anwaltlicher Versicherung oder die Bezugnahme auf das Zeugnis des abgelehnten Richters,

Im Fall der Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs entscheidet das Gericht in einem abgekürzten Verfahren selbst über den Antrag. Der Antrag ist unzulässig im Fall der Verspätung, bei mangelnder Ausführung des Ablehnungsgrundes oder mangelnder Glaubhaftmachung oder für den Fall, dass der Antrag zur Verschleppung oder aus verfahrensfremden Zwecken, d. h. querulatorisch, gestellt wird.

Wird ein Richter des Amtsgerichts abgelehnt, entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts über den Antrag. Wird ein Richter einer Kammer abgelehnt, entscheidet die Kammer ohne seine Mitwirkung ohne Schöffen, sonst das erkennende Gericht ohne den abgelehnten Richter. Wird das erkennende Gericht ohne den abgelehnten Richter beschlussunfähig, entscheidet das obere Gericht.

Gegen einen Beschluss, mit dem ein Ablehnungsgesuch verworfen wurde, ist die sofortige Beschwerde binnen Wochenfrist zulässig.

Der abgelehnte Richter kann trotz seiner Ablehnung all diejenigen Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub dulden, insbesondere weiter an der Hauptverhandlung mitwirken. Über die Ablehnung ist vor der Urteilsverkündung zu entscheiden, und innerhalb von zwei Wochen bzw. bis zum übernächsten Verhandlungstag. Falls die Ablehnung begründet ist, müssen dann hernach die Teile der Verhandlung wiederholt werden, die unter Beteiligung des abgelehnten Richters stattgefunden haben, soweit dies möglich und nicht mit unzumutbarem Aufwand verbunden ist.

Staatsanwälte können nicht wegen Befangenheit abgelehnt werden. Nur der Dienstvorgesetzte kann einen befangenen Staatsanwalt ablösen, worauf das Gericht erforderlichenfalls hinzuwirken hat.

Ablehnungsgesuche – vor Allem wegen Befangenheit – sind hochgradig konfliktbeladen. Die abgelehnte Person wird bei der Ehre ergriffen fühlen, da sie vermutlich selbst ihr Handeln beanstandungsfrei einstufen wird. Die Verhandlungsatmosphäre wird daher durch einen Befangenheitsantrag voraussichtlich leiden, Insbesondere ist danach ein „offenes Wort“ kaum noch zu erwarten.

14. Prozesserklärungen

Eine weitere förmliche Möglichkeit der Verteidigung Einfluss auf die Hauptverhandlung zu nehmen, ist die Abgabe von Erklärungen nach der Einvernahme von Beweismitteln.

Es handelt sich dabei um ein Recht, das primär dem Angeklagten zusteht, in der Regel aber von der Verteidigung ausgeübt werden wird.

Eine solche Erklärung darf den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen.

Sie wird sich daher regelmäßig darauf beschränken, den Beweiswert, das Beweisergebnis oder die Relevanz des Beweisergebnisses zu erschüttern.

Solche Prozesserklärungen werden in der Regel auf die anderen Verfahrensbeteiligten wenig Eindruck machen und den Verlauf des Prozesses voraussichtlich nicht wesentlich beeinflussen. Es handelt sich dabei daher eher um ein „stumpfes Schwert“ im ohnehin sehr begrenzten Instrumentarium der Verteidigung.

16. Protokollierungsanträge

Das Hauptverhandlungsprotokoll muss den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im Wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen. Dazu gehört auch die Protokollierung der verlesenen Urkunden bzw. deren Einführung im Selbstleseverfahren. Auch Erörterungen zum Verfahrensstand sind zu protokollieren, ebenso wie Ablauf, Inhalt und Ergebnis einer etwaigen Verständigung.

Darüber hinaus findet keine wörtliche Protokollierung der Hauptverhandlung statt.

Lediglich bei Verhandlungen vor dem Amtsgericht – sowohl bei dem Einzelrichter als auch bei dem Schöffengericht – findet darüber hinaus eine Protokollierung der wesentlichen Ergebnisse von Vernehmungen statt. Alternativ kann der Vorsitzende auch eine Tonaufnahme anordnen. Protokolle über Vernehmungen sind allerdings dann nicht zum Protokoll zu nehmen, wenn auf Rechtsmittel verzichtet wird oder keine eingelegt werden.

Das Hauptverhandlungsprotokoll hat für die Verteidigung deshalb eine besondere Bedeutung, da anhand dessen die Einhaltung bzw. Nichteinhaltung der wesentlichen Förmlichkeiten in der Hauptverhandlung in der Revisionsinstanz nachgewiesen werden können in positiver wie in negativer Hinsicht. Das Hauptverhandlungsprotokoll hat insoweit absolute Beweiskraft.

Der Verteidiger wird deshalb darauf achten, dass seine Anträge, Prozesserklärungen und Beanstandungen in der gebotenen Form protokolliert werden.

Dies gelingt regelmäßig am einfachsten, indem der Verteidiger sie bereits selbst – zur Not handschriftlich – zu Protokoll reicht.

Im Protokoll muss sich vor Allem der konkrete Antragsgegenstand wiederfinden bzw. die konkrete Beanstandung in Form der Geltendmachung eines Prozesshindernisses, des Widerspruchs gegen eine Beweiserhebung oder eine Beweisverwertung, sowie der Antrag auf einen Gerichtsbeschluss bezüglich der Beanstandung einer Anordnung des Vorsitzenden.

In der Revisionsinstanz gilt das Verbot der Rekonstruktion der Hauptverhandlung. Alles, was sich bezüglich der Hauptverhandlung nicht aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt, kann in der Revisionsinstanz nicht mehr vorgetragen werden.

Um Vorgänge in der Hauptverhandlung festzuschreiben, steht der Verteidigung das Instrument des Protokollierungsantrags zur Verfügung.

Es kann sowohl beantragt werden, dass einzelne Vorgänge in der Hauptverhandlung protokolliert werden, als auch der Wortlaut einer Aussage eines Zeugen oder Sachverständigen bzw. der Einlassung des Angeklagten sowie einer Äußerung eines beliebigen Verfahrensbeteiligten.

Soweit nicht Förmlichkeiten der Hauptverhandlung protokolliert werden, hat das Protokoll allerdings keine absolute Beweiskraft.

Häufig wird dem Antrag deshalb nicht stattzugeben sein, weil es nicht auf den konkreten Wortlaut, sondern vielmehr den Inhalt einer Aussage oder Äußerung ankommt. Der Wortlaut ist nur dann relevant, wenn er etwa unterschiedliche Interpretationen zulässt.

Die besondere Bedeutung von Protokollierungsanträgen ist allerdings, dass bereits durch den Antrag selber, wenn er zu Protokoll gereiht wird, die fragliche Vorgänge, Aussagen oder Äußerungen festgeschrieben und dem Rekonstruktionsverbot entzogen werden.

Ggf. wird es sich empfehlen vor Antragstellung zu beantragen, den ggf. betroffenen Zeugen oder Sachverständigen aus dem Sitzungssaal zu entfernen, um zu verhindern, dass er in Kenntnis des gestellten Antrags ggf. seine Aussage anpasst.

Lehnt der Vorsitzende eine Protokollierungsantrag ab, kann hiergegen die Entscheidung des Gerichts als Kollegialorgan beantragt werden. Der Vorsitzende ist an dessen Entscheidung gebunden.

Soweit von Protokollierungsanträgen maßvoll und zielgerichtet Gebrauch gemacht wird, sind diese geeignet, dem Gericht aufzuzeigen, welche Problemkreise ggf. Gegenstand einer Revisionsbegründung sein werden.

Sie sind daneben geeignet einer ggf. unbeabsichtigten fehlerhaften Festschreibung von Tatsachen in der Urteilsausfertigung vorzubeugen.

17. Aussetzungs- und Unterbrechungsanträge

Aussetzungs- und Unterbrechungsanträge sind grundsätzlich nicht geeignet, Einfluss auf die die Hauptverhandlung zu nehmen.

Ihr maßgeblicher Sinn besteht darin, dass der Verteidigung und dem Angeklagten Gelegenheit gegeben wird, sich auf veränderte Prozessgegebenheiten einzustellen und darauf vorzubereiten.

Insbesondere Aussetzungsanträge haben für den Fall, dass Ihnen stattgegeben wird indes durchaus eine erhebliche Auswirkung auf die Hauptverhandlung.

Das Verfahren ist auszusetzen, wenn eine Unterbrechung für den längstmöglichen Unterbrechungszeitraum nicht ausreichend ist, der grundsätzlich bei drei Wochen liegt, ausnahmsweise aber auch länger sein kann.

Die Aussetzung führt im Gegensatz zur Unterbrechung dazu, dass die Hautverhandlung nicht fortgesetzt, sondern von vorne begonnen wird.

Dies kann dazu führen, dass das Verfahren erheblich zeitlich verzögert wird, so dass der Angeklagte sich weiter in Vorbereitung auf einen Urteilsspruch vorbewähren kann, indem er nicht straffällig wird. Für in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte kann die Aussetzung des Verfahrens die Verschonung von der Untersuchungshaft bedeuten.

Für die Praxis sehr relevant ist der Fall, dass Zeugen oder Sachverständige so spät namhaft gemacht werden oder eine Beweistatsache so spät vorgebracht wird, dass der Verteidigung zur Einziehung diesbezüglicher Erkundigungen die Zeit fehlt.

Eine Aussetzung hat zu erfolgen, wenn Angeklagter und Verteidigung nicht mit Wochenfist geladen wurden.

Weiterhin zwingend ist die Aussetzung der Hauptverhandlung für den Fall, dass Umstände neu hervortreten, die eine Verurteilung des Angeklagten wegen eines schwereren Strafgesetzes zulassen und der Angeklagte diese bestreitet sowie vorträgt, dass er auf die Verteidigung deswegen nicht vorbereitet sei.

Auch sonst hat das Gericht das Verfahren auszusetzen, wenn dies aufgrund einer Änderung der Sachlage zur ausreichenden Vorbereitung der Verteidigung erforderlich ist.

Eine Aussetzung kann weiterhin notwendig werden, wenn ein in der Hauptverhandlung neu bestellter Pflichtverteidiger dies begehrt.

Nicht gesetzlich geregelt, aber von der Rechtsprechung anerkannt ist ein Recht auf Aussetzung des Hauptverfahrens in Fällen, in denen keine ausreichende Akteneinsicht gewährt wurde oder die Staatsanwaltschaft nur zögerlich und nach und nach dem Gericht neue Beweismittel zur Verfügung gestellt hat.

Gleiches gilt für den Fall, dass die Anklageschrift nicht mitgeteilt wurde.

Unterbrechungsanträge werden von der Verteidigung gleichermaßen zur weiteren Vorbereitung auf die Hautverhandlung gestellt. Sie haben allerdings nicht zur Folge, dass die Hauptverhandlung von neuem zu beginnen hat.

17. Plädoyers und letztes Wort

Nach Schluss der Beweisaufnahme folgen die Plädoyers.

In der Regel plädiert zunächst die Staatsanwaltschaft, dann die Verteidigung und schließlich der Angeklagte. In der Praxis plädiert der Angeklagte praktisch nie. Dafür wird aber regelmäßig auch dem Nebenklagevertreter Gelegenheit zum Plädoyer gegeben.

Die Reihenfolge folgt der Logik, dass zunächst der „Angreifer“ plädiert. In Berufungs- und Revisionshauptverhandlungen plädiert so der Beschwerdeführer zuerst.

Dies ist auch sinnvoll. So hat die „verteidigende Partei“ Gelegenheit auf den „Angriffsvortrag“ einzugehen.

Wird erneut in die Beweisaufnahme eingetreten, haben die Verfahrensbeteiligten erneut die Gelegenheit zum Schlussvortrag.

Die Plädoyers sollten in freier Rede gehalten werden, regelmäßig unter Zuhilfenahme von Aufzeichnungen.

Die Plädierenden dürfen in ihrem Schlussvortrag grundsätzlich nicht unterbrochen werden.

Im Plädoyer dürfen auch überspitzte Formulierungen genutzt werden. Herabwürdigende Äußerungen sollten unterbleiben.

Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft beginnt mit der Darstellung des Sachverhalts, den die Staatsanwaltschaft für gegeben hält.

Sodann schließt sich die Beweiswürdigung an, in der die Staatsanwaltschaft erläutert, welche Beweismittel sie dem von ihr angenommenen Sachverhalt zugrunde legt und welche nicht.

Sodann folgt die rechtliche Würdigung, in der die Staatsanwaltschaft darlegt, welche Tatbestände von dem Angeklagten ihrer Auffassung nach verwirklicht wurden.

Schließlich folgen Ausführungen zur Strafzumessung und sodann der Schlussantrag.

Der Schlussantrag beinhaltet die Forderung der Staatsanwaltschaft, welche Rechtsfolgen gegen den Angeklagten verhangen werden sollen.

Das Plädoyer der Verteidigung folgt grundsätzlich keinen festen Regeln. Es leitet sich inhaltlich aus den Besonderheiten des Falles ab. Es beinhaltet sämtliche aus Sicht der Verteidigung relevanten Verfahrensfragen und ebenfalls einen Schlussantrag.

Ein gutes Plädoyer ist niemals geeignet eine unzureichende Verteidigung in der Hauptverhandlung oder gar den davor liegenden Verfahrensabschnitten auszugleichen.

Es wird vor Allem dann seine Wirkung entfalten, wenn die Verteidigung bereits zuvor engagiert für die Interessen des Angeklagten eingetreten ist. Dazu zählt, die prozessualen Möglichkeiten der Verteidigung interessengeleitet und zielgerichtet genutzt zu haben.

Dann gipfelt die Verteidigungsstrategie im Schlusswort und entfaltet so bestenfalls ihre ganze Wirkung.

Ist das Ziel der Verteidigung, dass der Angeklagte freigesprochen wird – sog. Freispruchverteidigung –, so beinhaltet das Plädoyer maßgeblich, was gegen seine Schuld spricht und wird sich überwiegend mit der Würdigung der einvernommenen Beweismittel auseinandersetzen.

Ggf. legt die Verteidigung nämlich schon ihrem Schlussantrag einen ganz anderen Sachverhalt zugrunde als die Staatsanwaltschaft.

Dazu wird vor Allem auch die Bewertung der Glaubhaftigkeit einzelner Zeugenaussagen beitragen.

Möglicherweise werden auch Beweisverwertungsverbote erneut zur Sprache zu bringen sein, die es verbieten bestimmte Beweismittel in das Verfahren einzuführen.

Besteht die Verteidigungsstrategie darin, ein möglichst günstiges Strafmaß für den Angeklagten zu erzielen – sog. Strafmaßverteidigung –, hat die Verteidigung all diejenigen Umstände hervorzuheben, die dafürsprechen, dass der Angeklagte mit einer für ihn möglichst günstigen Strafe bedacht wird.

Dies fängt möglicherweise damit an, dass ausgehend von der rechtlichen Würdigung der Verteidigung bereits ein anderer, niedrigerer Strafrahmen eröffnet wird als von der Staatsanwaltschaft aufgrund deren rechtlicher Würdigung angenommen.

Die Strafe ist dann bereits in anderen Grenzen zu finden.

Im Anschluss wird der Verteidiger dann die im Einzelnen strafmildernden Umstände für den Angeklagten vortragen und ggf. solche Umstände entkräften, die die Staatsanwaltschaft als besonders strafschärfend betrachtet.

Der diesbezügliche Vortrag der Verteidigung sollte entlang der gesetzlichen Kriterien erfolgen.

Relevant ist dabei insbesondere das Geständnis des Angeklagten und dessen Wert. Ist die Beweislage erdrückend, ist der Wert des Geständnisses per se nicht so hoch, als wenn dadurch erst Tatsachen in erheblichem Umfang zu Tage treten, die die Verurteilung des Angeklagten ermöglichen. Relevant ist in diesem Zusammenhang auch der Umfang des Verfahrens. Je größer der Teil der Beweisaufnahme ist, der durch ein Geständnis unterbleiben kann, umso wertvoller ist es und umso höher ist damit seine strafmildernde Wirkung.

Besonders relevant ist regelmäßig auch, ob der Angeklagte durch sein Geständnis oder ggf. anderweitig Aufklärungshilfe geleistet hat.

Sofern er von einer Kronzeugenregelung Gebrauch gemacht hat und er vor Eröffnung des Hauptverfahrens im Zusammenhang mit seiner Tat stehende Taten aufgedeckt oder verhindert hat, kann das Gericht bereits ggf. den anzuwendenden Strafrahmen zu Gunsten des Angeklagten verschieben.

Darüber hinaus kann die Aufklärung anderweitiger Taten, die von Dritten begangen wurden, auch erheblich strafmildernd berücksichtigt werden.

Erheblich sind vor Allem die Umstände, die die Tat prägen.

Strafmildernd wirkt sich so etwa aus, wenn die Tat planlos begangen wurde oder vor Allem zur Finanzierung einer Sucht. Strafschärfend wirkt sich aus, wenn der Angeklagte besonders konspirativ vorgegangen ist oder auch sonst seine Entdeckung möglichst effektiv zu vermeiden versucht hat.

Große Bedeutung haben weiterhin die Tatfolgen, insbesondere der durch eine Tat angerichtete Schaden. Der Verteidiger wird dessen Ausmaß in aller Regel anders beurteilen als etwa die Staatsanwaltschaft, seien es Personen- oder Sachschäden.

Auch Tatfolgen für Dritte sind strafzumessungsrelevant.

Relevant ist auch die „kriminelle Energie“; die ein Angeklagter bei der Tat aufgewandt hat. Je weniger die Tatausführung erkennen lässt, umso weniger hoch ist die Strafe zu bemessen.

Strafmildernd wirkt sich auch aus, wenn dem Angeklagten die Tatbegehung besonders leicht gemacht wurde, etwa weil das Opfer sorglos war oder wegen unzulänglicher oder fehlender Kontrollen.

Auch die Folgen des Strafverfahrens in beruflichen wie privater Hinsicht können sich in erheblichem Umfang günstig für den Angeklagten auswirken. So mögen der Verlust des Berufs oder erhebliche private Umwälzungen strafmildernde Berücksichtigung finden.

Bei Verfahren, die ein hohes mediales Interesse mit sich bringen, ist auch die für den Angeklagten damit einhergehende Prangerwirkung erheblich bei der Strafzumessung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.

Strafmildernd ist weiterhin, wenn der Angeklagte nicht vorbestraft ist.

Für eine geringe Strafe spricht weiterhin, wenn der Angeklagte besonders strafempfindlich ist, etwa aufgrund von Alter, Erkrankungen oder wegen bestimmter persönlicher Verhältnisse.

Bei Angeklagten aus einem fremden Kulturkreis können dessen dadurch geprägte Wertvorstellungen strafmildernde Wirkung haben.

Auch Defizite in der Entwicklung eines Angeklagten können strafmildern berücksichtigt werden; ebenso wenn er selber Opfer von Straftaten war.

Eine große Auswirkung auf die zu findende Strafe hat auch das Nachtatverhalten des Angeklagten. Strafmildernd ist vor Allem, wenn er sich um den Ausgleich eines Schadens bemüht oder diesen bewirkt. Dies kann ggf. auch in einer Strafrahmenverschiebung resultieren.

Besonders günstig ist für den Angeklagten, wenn er die Bereitschaft zeigt, sich einer Therapie zu unterziehen mit dem Ziel, künftig keine Straftaten mehr zu begehen bzw. die von ihm begangene Tat aufzuarbeiten.

Untersuchungshaft kann ausnahmsweise strafmildernde Wirkung haben, so z. B., wenn der Angeklagte unter besonders schlechten Haftbedingungen leidet wie etwa unter Infektionsschutzbedingungen oder er nur unzulänglich gesundheitlich versorgt wurde.

Eine überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer wirkt sich in verschiedener Hinsicht günstig für den Angeklagten aus.

Einerseits ist der Umstand strafmildernd zu berücksichtigen, dass er lange durch das schwebende Verfahren psychisch beeinträchtigt war.

Andererseits wirkt diese Zeit wie eine „Vorbewährung“, wenn der Angeklagte keine weiteren Straftaten begeht. Der Angeklagte stellt unter Beweis, dass er straffrei leben kann und will.

Schließlich ist eine anlasslos überlange Verfahrensdauer auch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung. Ein Teil der erkannten Strafe wird deshalb dann mit dem Urteil für vollstreckt erklärt,

Es empfiehlt sich grundsätzlich nicht hilfsweise zur Strafzumessung zu plädieren, wenn Ziel der Verteidigung ein Freispruch ist. Die Verteidigung konterkariert dann ihren eigenen Vortrag.

Gegenstand des Plädoyers können schließlich Maßregeln der Sicherung und Besserung sein, sofern deren Verhängung im Raum steht. Mit Ausnahme einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB wird die Verteidigung regelmäßig bestrebt sein, deren Verhängung zu verhindern.

Schließlich ist die Vermögensabschöpfung und Einziehung ggf. Gegenstand des Plädoyers.

Regelmäßig wird die Verteidigung die Unverhältnismäßigkeit der Einziehung rügen. Zur Vermögensabschöpfung werden ggf. die Berechnungen der Staatsanwaltschaft zu konterkarieren sein.

Schließlich kann mit dem Plädoyer auch noch ein Hilfsbeweisantrag gestellt werden für den Fall, dass der Angeklagte verurteilt wird. Dieser ist dann vom Gericht mit dem Urteil zu bescheiden.

Im Anschluss hat der Angeklagte das letzte Wort.

Der Angeklagte kann damit alles vortragen, was er möchte.

Bei einem schweigenden Angeklagten sollten Sacheinlassungen jedoch unbedingt unterbleiben. Auch sollte er sich grundsätzlich nicht in Widerspruch zum Vortrag seines Verteidigers setzen.

Das letzte Wort ist seine Gelegenheit, den Schlusspunkt der Verhandlung zu bestimmen und ggf. letzte Akzente zu setzen, entweder um seine Reue zu bekunden oder das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen.

Hier entsteht in kürze ein neuer Text.

I. Der Verfahrensgang

Die Verfassungsbeschwerde kann von jedermann gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt erhoben werden.

Es handelt sich dabei um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, der darauf gerichtet ist, die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts zu rügen, nicht um eine weitere Instanz.

In strafrechtlichen Zusammenhängen richten sich Verfassungsbeschwerden regelmäßig gegen letztinstanzliche sowie diesen vorausgegangenen Entscheidungen. Ausnahmsweise sind sie aber auch gegen Zwischenentscheidungen möglich, wenn diese im Instanzenzug nicht mehr nachgeprüft und korrigiert werden können. In Betracht kommen diesbezüglich insbesondere Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse aber exemplarisch auch Entscheidungen in Strafvollstreckung und -vollzug.

Ein Anwalt muss für die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nicht beauftragt werden. Wegen der der hohen formellen Anforderungen, die an die Abfassung einer Verfassungsbeschwerde gestellt, ist die Beauftragung eines auf Verfassungsrecht spezialisierten Rechtsanwalts regelmäßig zu empfehlen.

Idealerweise sollte ein Anwalt zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde bereits beauftragt werden, bevor die anzugreifende letzte Entscheidung verkündet bzw. abgesetzt wird.

Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats nach der letzten Entscheidung innerhalb des Rechtsweges beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu erheben und muss eine Begründung beinhalten. Die Verfassungsbeschwerde ist so zu verfassen, dass das Bundesverfassungsgericht aus ihr selbst heraus und ohne Hinzuziehung von Verfahrensakten beurteilen kann, ob die damit beanstandete Grundrechtsverletzung vorliegt. Die Vortragsanforderungen ähneln insoweit denen, die an eine strafrechtliche Revision gestellt werden.

Damit eine Verfassungsbeschwerde nicht unzulässig ist, muss ausreichender – verfassungsrechtlich determinierter – Vortrag in den Instanzen geleistet worden sein.

Auch muss der Rechtsweg voll ausgeschöpft werden. Dazu ist es nicht ausreichend das Verfahren bis in die letzte Instanz zu führen. Gegen die letzte Entscheidung sollte sicherheitshalber parallel zu der Verfassungsbeschwerde eine Gegenvorstellung erhoben werden. Die Verfassungsbeschwerde wird dann zunächst beim Bundesverfassungsgericht eingereicht mit der Bitte an den Präsidialrat, die Verfassungsbeschwerde zunächst nur in das allgemeine Register einzutragen. Ist die Gegenvorstellung dann – wie regelmäßig zu erwarten – zurückgewiesen worden, wird um die Übertragung in das Verfahrensregister gebeten.

Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten – jeweils mit acht Richtern besetzt –, denen Kammern nachgebildet sind, die jeweils mit drei Richtern besetzt sind.

Die Kammern sind befugt, die Annahme einer Verfassungsbeschwerde abzulehnen.

Unter ganz besonderen Voraussetzungen sind die Kammern auch befugt (ausnahmsweise) einer Verfassungsbeschwerde stattzugeben.

Liegt keiner dieser Fälle vor, entscheidet der zuständige Senat. Für das Straf- und Strafverfahrensrecht ist bei dem Bundesverfassungsgericht der zweite Senat zuständig.

Nach Eingang der Verfassungsbeschwerde bei dem Bundesverfassungsgericht wird diese in aller Regel durch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter des zuständigen Berichterstatters in einer Kammer oder einem Senat geprüft und von diesem bereits ein schriftlicher Entscheidungsvorschlag erstellt. Je eher sich die Verfassungsbeschwerde für eine Entscheidung durch eine Kammer eignet – also insbesondere abgelehnt werden kann –, umso gewichtiger ist der durch den Berichterstatter vorzulegende Entscheidungsvorschlag.

Die Kammern sind es, die mithin das Geschehen beim Bundesverfassungsgericht dominieren.

Der jeweilige berichterstattende Richter ist es im Übrigen, der die aus seiner Sicht verfassungsrechtlich relevanten Themen, die einer Entscheidung zugeführt werden sollen, nach seiner individuellen Rechtsauffassung bestimmt.

Die Entscheidungen der Kammern müssen einstimmig ergehen. Für Entscheidungen des Senats ist eine Mehrheit erforderlich.

Der Begünstigte der Entscheidung, gegen die Verfassungsbeschwerde erhoben wird, wird angehört.

Jede Entscheidung des Senats wird auf Grundlage des Gutachtens des Berichterstatters umfangreich beraten.

Das Bundesverfassungsgericht kann Akten aus dem Ausgangsverfahren anfordern und darüber hinaus bei Gerichten und Verwaltungsbehörden Rechts- und Amtshilfe anfordern. Es kann sachkundigen Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme geben, Zeugen und Sachverständige vernehmen

Geben ein Senat oder eine Kammer einer Verfassungsbeschwerde statt, so wird die angegriffene Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an das zuständige Gericht zurückverwiesen.

Wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, so wird die Entscheidung öffentlich verkündet.

Es ist nicht zwingend erforderlich für die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Aufgrund der hohen formellen und inhaltlichen Anforderungen ist dies jedoch regelmäßig zu empfehlen.

II. Das Vorgehen bei einer Verfassungsbeschwerde

Eine Verfassungsbeschwerde sollte idealerweise von Beginn der Verteidigung in einem Verfahren an vorbereitet werden.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Tatbestandsmerkmal der Subsidiarität gebietet, dass der Angeklagte sämtliche prozessuale Möglichkeiten ausnutzt, die ihm zur Verfügung stehen, um einen Grundrechtseingriff zu verhindern oder zu beseitigen.

Geschieht dies nicht, wird eine Verfassungsbeschwerde des Angeklagten vom Bundesverfassungsgericht deswegen ggf. als unzulässig zurückgewiesen.

Daraus folgt, dass umfassend von der Möglichkeit zur Stellung von Beweisanträgen Gebrauch gemacht werden muss. Daraus folgt allerdings weiterhin auch, dass ebenso von der Möglichkeit von verfahrensleitenden Anträgen, Aussetzungsanträgen, Protokollanträgen, Anträgen bezüglich der Ausübung des Fragerechts sowie der Ablehnung von Richtern und Sachverständigen Gebrauch gemacht werden muss.

Anträge müssen ggf. sogar unter Darlegung der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung gestellt werden. Dies gilt insbesondere, soweit Verfahrenshindernisse und Beweisverwertungsverbote betroffen sind.

Bereits während der Verteidigung in der Instanz ist eine Unterstützung durch den Rechtsanwalt, der später ggf. eine Verfassungsbeschwerde verfassen soll, sinnvoll. Insbesondere wird er frühzeitig die Instanzverteidigung im Hinblick darauf mitprägen, welche Grundrechtsverletzungen später als aussichtsreich angreifbar erscheinen.

Das Abfassen der Beschwerdeschrift ist binnen der Monatsfrist nach der letzten Entscheidung, die angegriffen werden soll, häufig kaum unter Einhaltung der formellen und inhaltlich Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgibt, möglich. Schließlich muss in aller Regel auch noch parallel eine Gegenvorstellung bei dem Gericht erfolgen, dessen Entscheidung angegriffen wird.

Insbesondere die erforderliche Darlegung des Verfahrensgangs kann auch schon im Vorfeld der anzugreifenden Entscheidung vorbereitet werden, um die damit einhergehenden Mühe dem Verfasser nicht zusätzlich in der Monatsfrist aufzulasten.

III. Verfassungsbeschwerde bei Grundrechtsverletzungen

Im Kontext des Strafrechts sind diverse Grundrechtsverletzungen denkbar und ggf. zu rügen. Im Folgenden soll ein – nicht abschließender – Überblick über ggf. erfolgreich anzugreifende Grundrechtsverletzungen gegeben werden.

Die Verletzung von formellem Strafrecht – also Strafprozessrecht – lässt sich am erfolgversprechendsten rügen in den folgend dargestellten Konstellationen.

In der jüngeren Zeit hat das Grundrecht auf ein faires Verfahren gem. Art 2. Abs. 2 S. 2 bzw. Art. 2 Abs. 1 GG jeweils in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 1 Abs. 1 GG besondere Bedeutung erlangt, das in Art. 6 Abs. 1 und 3 EMRK eine nähere Konkretisierung erfahren hat.

Aus diesem Grundrecht heraus sind Fehler bei der Beweiswürdigung zu beanstanden, insbesondere soweit ggf. Beweiserhebungs- oder verwertungsverbote missachtet wurden. Auch die Ablehnung von Beweisanträgen ist unter diesem Gesichtspunkt angreifbar sowie die Beschränkung der Möglichkeiten des Angeklagten, Einfluss auf das Strafverfahren zu nehmen (sog. Konfrontationsrecht). Schließlich kann unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf ein faires Verfahren eine Einschränkung des Rechts des Angeklagten auf eine effektive Verteidigung gerügt werden. Dazu gehören insbesondere Fälle, in denen das Gericht seinen Hinweispflichten bei einer geänderten Sach- und Rechtlage nicht nachkommt und Fälle der Verhandlungsfähigkeit eines Angeklagten. Schließlich sind zahlreiche Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren im Zusammenhang mit Verständigungen in Strafverfahren möglich, sowohl wegen der Verletzung diesbezüglicher Mitteilungs-, Dokumentations- als auch Belehrungspflichten.

Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG sichert insbesondere den sich aus den Prozessordnungen ergebenden Anspruch auf eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes durch das zuständige Gericht. Angreifbar sind mittels dessen nicht nur die zum Teil ausufernden Anforderungen des Bundesgerichtshofs an die Darlegungen im Rahmen einer Verfahrensrüge. Sofern Rechtsmittelfristen schuldlos versäumt worden sind, wird unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes auch geprüft, ob ggf. zu strenge Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in der vorherigen Stand angelegt wurden. Vor allem aber lassen sich mittels dieses Grundrechts Maßnahmen, die im Ermittlungsverfahren erfolgt sind, ggf. erfolgreich angreifen, insbesondere Durchsuchungen und freiheitsentziehende Maßnahmen.

Das Grundrecht auf rechtliches Gehör gem. Art 103 Abs. 1 GG kann in unterschiedlichen Realisierungsphasen betroffen sein, angefangen bei dem Recht auf Information, das verletzt sein kann, wenn der Angeklagte nicht über ihn betreffende Vorgänge unterrichtet wurde, insbesondere, wenn er keine vollständige Akteneinsicht erhält. Entscheidungen dürfen grundsätzlich nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, die dem Angeklagten auch zugänglich waren. Weiterhin muss dem Angeklagten Gelegenheit gegeben werden, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung dazu zu äußern. Schließlich muss das Gericht die Ausführungen des Angeklagten zur Kenntnis nehmen und bei seiner Entscheidung abwägen.

Das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG kann insbesondere in einer der folgende vier Konstellationen verletzt sein.

Zunächst kommt eine Grundrechtsverletzung dergestalt in Betracht, dass gesetzliche Zuständigkeitsregelungen willkürlich angewendet wurden oder Ausgestaltungen von Zuständigkeitsregelungen durch Geschäftsverteilungspläne grundrechtswidrig erfolgen. Weiterhin kommt in Betracht, dass eine Pflicht zur Vorlage bei einem anderen Gericht missachtet wird. Sehr zurückhaltend ist das BVerfG bei der Beurteilung der Frage, ob eine Befangenheitsantrag gem. § 26a StPO oder § 27 StPO willkürlich behandelt wurde. Recht restriktiv hingegen handhabt das BVerfG Entscheidungen des BGH in Revisionsangelegenheiten, soweit dieser eigene Strafzumessungsentscheidungen gem. § 354 Abs. 1, 1a und 1b StPO trifft.

Das Doppelbestrafungsverbot gem. Art 103 Abs. 3 GG entfaltet eine Sperrwirkung für eine weitere Verurteilung wegen einer Tat, über die bereits rechtskräftig von einem Strafgericht entschieden wurde. Maßstab ist dabei die Tat im prozessualen Sinne, d. h. der nach natürlicher Lebensauffassung zu beurteilende einheitliche Lebensvorgang. Die Tat im prozessualen Sinn wird vom Bundesverfassungsgericht regelmäßig eng umgrenzt.

Zur verfassungsrechtlichen Rüge der Verletzung materiellen Strafrechts ist das Folgende auszuführen:

Häufig – aber zugleich regelmäßig erfolglos – ist die Rüge, dass das Bestimmtheitsgebot gem. Art 103 Abs. 2 GG durch eine Verbotsnorm verletzt würde. Selbst gesetzlich vage formulierte Tatbestände wie der der Untreue gem. § 266 StGB halten diesem Erfordernis nach der Judikatur des BVerfG regelmäßig stand. Lediglich bei Normen aus dem Nebenstrafrecht, insbesondere bei sog. Blankett-Tatbeständen, die lediglich die Rechtfolgen eines Fehlverhaltens regeln, dessen Voraussetzungen aber Ausführungsvorschriften oder anderen Rechtquellen überlassen, ist in seltenen Einzelfällen wegen mangelnder Bestimmtheit ggf. eine Verfassungsbeschwerde erfolgreich.

Eine strafrechtliche Verbotsnorm greift regelmäßig in Grundrechte ein. Sofern nicht speziellere Grundrechte eingeschränkt werden, ist jedenfalls die Allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art 2 Abs. 1 GG betroffen. Prüfungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit einer Verbotsnorm ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine Verbotsnorm muss geeignet sein, den vom Gesetzgeber gewünschten Erfolg zu fördern und erforderlich in dem Sinne,, dass das verfolgte Ziel in gleichem Maße nicht durch ein anderes milderes Mittel erreicht werden kann, dass weniger in das jeweils betroffene Grundrecht eingreift. Schließlich muss die Strafnorm in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des durch sie beeinträchtigten Grundrechts stehen.

Normen des Sexualstrafrechts sind im Einzelfall insbesondere geeignet die allgemeine Handlungsfreiheit des einzelnen gem. Art. 2 Abs. 1 GG zu beschränken. Zu denken ist in diesem Zusammenhang exemplarisch insbesondere an den abgeschafften § 175 StGB, der sexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe stellte.

Die Glaubens- und Gewissenfreiheit gem. Art 4 Abs. 1 GG mag insbesondere betroffen, soweit eine Verbotsnorm den einzelnen in einen unauflösbaren Gewissenskonflikt bringt, der keine andere Handlungsalternative zulässt, als gegen die Verbotsnorm zu verstoßen.

Die Meinungsfreiheit gem. Art 5 Abs. 1 S. 2 GG ist regelmäßig im Zusammenhang mit den Beleidigungstatbeständen gem. §§ 185 ff StGB aber auch dem Tatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 StGB betroffen. Ob eine einzelne Äußerung ggf. noch durch die Meinungsäußerungsfreiheit geschützt ist, hängt nicht nur von deren Einordnung als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung ab. Soweit mehrere Deutungen möglich sind, ist zugunsten des Äußernden immer die Deutungsmöglichkeit zu unterstellen, die nicht strafbar ist.

Die Kunstfreiheit gem. Art 5 Abs. 3 S. 1 GG kollidiert vielfältig mit Strafnormen, wie etwa dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86a StGB, der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gem. § 90a StGB, der Volksverhetzung gem. § 130 StGB, der Verbreitung pornografischer Schriften gem. §§ 184 ff. StGB, der Beleidung gem. §§ 185 ff StGB und der Sachbeschädigung gem. § 303 StGB.

Im Zentrum der verfassungsrechtlichen Problematik steht hier die Frage der werkgerechten Interpretation des Werkes, mittels dessen gegen eine Strafnorm verstoßen worden sein soll. Essentiell für eine ausreichende Berücksichtigung der Kunstfreiheit gem. Art 5 Abs. 3 S. 1 GG bei der Frage, ob mittels eines Kunstwerks gegen eine Strafnorm verstoßen wurde, ist die Bestimmung des Aussagekerns des Kunstwerks.

Die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs, 1 und das Eigentumsgrundrecht gem. Art 14 Abs. 1 GG werden regelmäßig gleichermaßen als betroffen erachtet, wenn ein Verhalten sanktioniert werden soll, dass eine enge Nähe zu einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit aufweist.

Nicht nur ein strafrechtliches Verbot als solches ist geeignet, den einzelnen in seinen Grundrechten zu verletzen. Auch eine strafrechtliche Sanktion kann dies bewirken. So kann eine zu verhängende Sanktion für den Verbotsfall den Schuldgrundsatz als Ausfluss von Art 20 Abs. 3 GG und das Übermaßverbot als Ausfluss von Art. 2 Abs, 2 Alt. 2 GG verletzen, wenn die angedrohte Strafe nach Art und Maß der strafbewehrten Handlung sich als schlechthin unangemessen oder gar grausam, unmenschlich oder erniedrigend darstellt.

Auch Sanktionsnormen als solche können verfassungswidrig sein. So hat das BVerfG die Anordnung und Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe begrenzt und §43a StGB, der eine Vermögensstrafe vorsah, aufgehoben.

Nicht nur eine Strafnorm selbst, sondern auch deren Anwendung durch die Fachgerichte kann verfassungswidrig sein. Relevant sind insoweit vor allem die vier folgend darzustellenden Konstellationen:

Ein Verstoß gegen das Willkürverbot gem. Art 3 Abs. 1 GG liegt vor, wenn die Fachgerichte das Recht dergestalt angewendet haben, dass dies unter keinem denkbaren Aspekt noch rechtlich vertretbar wäre. Folgt ein Gericht Auffassungen zur Rechtsanwendung, die von anderen Gerichten vertreten werden oder im Schrifttum, soricht dies grundsätzlich gegen eine willkürliche Rechtsanwendung.

Aus dem Gebot gem. Art 103 Abs. 2 GG, dass nur bestraft werden darf, was gesetzlich verboten ist („nulla poena sine lege“), folgt, dass Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung. Der mögliche Wortsinn des Gesetzestextes ist die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation.

Nur ganz ausnahmsweise erfolgreich ist die Rüge der Verletzung des aus der Menschenwürde gem. Art 2 Abs. 1 und Art 2 Abs. 1 GG ausfließenden Gebots angemessenen Strafens als Teil des Grundsatzes, dass eine Strafe nie ohne Schuld verhangen werden darf („nulla poene sine culpa“). Eine Aussicht auf Erfolg besteht nach der Rechtsprechung des BVerfG nur, wenn die individuell zu beanstandende Strafzumessung such soweit von dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs entfernt, dass sie sich als objektiv willkürlich erweist.

Deutlich aussichtsreicher ist die Rüge des Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht durch Anordnung freiheitsentziehender Maßregeln, insbesondere soweit freiheitsentziehende Maßregeln, d. h die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB und die Sicherungsverwahrung gem. § 66 StGB, deren Vorbehalt gem. § 66a StGB sowie deren nachträgliche Anordnung gem. § 66n StGB verhangen wurden.

Kaum ein Verfahrensabschnitt des Strafverfahrens ist derart geprägt vom Verfassungsrecht wie das Ermittlungsverfahren. Zahlreiche Gesetzesnovellierungen zu Eingriffsbefugnissen der Strafverfolgungsbehörden im Ermittlungsverfahren sind geprägt von Entscheidungen des BVerfG. Insbesondere im Bereich der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen kann diversen Entscheidungen des BVerfG entnommen werden, dass dieses einer ausufernden Anwendung entgegenwirkt.

Überprüft wird vom BVerfG indes nur, ob die jeweils beanstandeten fachgerichtlichen Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des jeweils betroffenen Grundrechts beruhen.

Der insoweit zu beschreitende Rechtsweg unterscheidet sich von dem für Entscheidungen in der Hauptsache:

Gegen Maßnahmen, die nicht von einem Richter angeordnet wurden, kann – in analoger Anwendung ausgenommen in Fällen der Beschlagname – eine gerichtliche Entscheidung gem. § 98 Abs. 2 S. 2 StPO beantragt werden. Weiterhin kann dieses Rechtsmittel genutzt werden, um die Art und Weise der Durchführung einer gerichtlich angeordneten Ermittlungsmaßnahme zu beanstanden.

Gegen eine gerichtliche Entscheidung, die gem. 98 Abs. 2 S. 2 StPO ergangen ist, sowie gegen originäre gerichtliche Entscheidungen kann Beschwerde gem. §§ 304 ff. StPO eingelegt werden.

Gegen verdeckte Maßnahmen gem. §§ 98a, 99, 100a bis 100c und 100e bis 100k StPO sowie 163d bis 163g StPO ist in § 101a Abs. 6 S: 2 und 3 eine gerichtliche Entscheidung zur Erlangung nachträglichen Rechtsschutzes vorgesehen.

Einzelne Justizakte können gem. §§ 23 ff. EGGVG gerichtlich überprüft werden.

Gegen sämtliche, insbesondere verdeckten, Ermittlungsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren ist auch nachträglich Rechtsschutz im Wege einer Verfassungsbeschwerde zu erlangen. Dies ist insbesondere mit Blick auf die Verteidigung in der Instanz von Bedeutung, als dass sich aus einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde regelmäßig eine Beweisverwertungsverbot wird ableiten lassen können.

Wohnungsdurchsuchung

Wohnungsdurchsuchungen gem. § 102 StPO beim Beschuldigten und bei Dritten gem. § 103 StPO unterliegen nicht nur einem einfachgesetzlichen Richtervorbehalt – d. h. die Durchsuchung muss grundsätzlich durch einen Richter angeordnet werden –, sondern einem grundgesetzlichen Richtervorbehalt gem. Art 13 Abs. 2 GG.

Ob durch eine Durchsuchung das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art 13 Abs. 1 GG verletzt wurde, prüft das Bundesverfassungsgericht wie folgt:

Geprüft wird, ob eine Tatverdacht bezüglich einer konkreten Straftat vorliegt und diese nebst gesetzlichem Tatbestand sowie der diesbezügliche Verdacht ausreichend dargelegt wurden. Gleiches gilt hinsichtlich potenziell aufzufindender Beweismittel, die für Ermittlungen von Bedeutung sind sowie des diesbezüglich erforderlichen Auffindeverdachts. Wegen des mit einer Wohnungsdurchsuchung einhergehenden schwerwiegenden Grundrechtseingriffs muss auch die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein, so dass bei der Anordnung im Fall von Ermittlungen wegen Ordnungswidrigkeiten oder leichten Straftaten erhöhte Anforderungen an den Tatverdacht an- und darzulegen sind. Auch sind erhöhte Anforderungen an die Anordnung von Durchsuchungen bei Berufsgeheimnisträgern und Presseunternehmen zu berücksichtigen.

Soweit eine Durchsuchung nicht durch eine Richter, sondern wegen Gefahr im Verzug durch die Staatsanwaltschaft oder durch ihre Ermittlungspersonen angeordnet wird, handelt es sich nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG um eine nur ausnahmsweise zulässige Eilanordnung. Es ist sorgfältig zu prüfen, ob tatsächlich Anlass für ein Eilanordnung bestand.

Ein Durchsuchungsbeschluss ist im Übrigen nur solange gültig, wie sich die Tatsachengrundlagen nicht geändert haben und richtet sich im Übrigen nach den Umständen des Einzelfalls. Das BVerfG sieht eine erneute richterliche Prüfung spätestens nach Ablauf eines halben Jahres für erforderlich an.

Schließlich können Beschlagnahmeverbote eine Vorwirkung dergestalt entfalten, dass eine auf die Erlangung von Beweiserhebungsverboten unterliegenden Beweismitteln gerichtete Durchsuchung verfassungswidrig ist.

Beschlagnahme

Die Beschlagnahme betrifft das Grundrecht auf Eigentum gem. Art 14 Abs.1 GG sowie ggf, das Briefgeheimnis gem. Art 10 Abs. 1 GG.

Die Beschlagnahme muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat, der Stärke des Tatverdachts und der Beweisbedeutung des Beweismittels stehen. Den zu beschlagnahmenden Beweismitteln muss eine potenzielle Beweisbedeutung zukommen. Soweit sich ein milderes Mittel als die Beschlagnahme der zu beschlagnahmenden Beweismittel in Betracht kommt, ist dieses zu wählen.

Spezialprobleme stellen sich dar im Zusammenhang mit der Beschlagnahme bei zeugnisverweigerungsberechtigten Personen, soweit für diese Beschlagnahmeverbote gem. § 97 StPO gelten. 

Telekommunikationsüberwachung

Im Rahmen der verdeckten Telekommunikationsüberwachung gem. §§ 100a, 100b, 100g StPO wird das Fernmeldegehemins gem. Art 10 Abs. 1 GG betroffen, dass die Beteiligten bei einem Telekommunikationsvorgang weitestgehend so stellen soll, wie sie bei einer Kommunikation unter Anwesenden stünden. Geschützt wird der Kommunikationsgehalt, die Umstände der Kommunikation, die Rahmenbedingungen einer freien Telekommunikation und die weitere Verwendung von gewonnen personenbezogenen Daten. Darunter fallen die sog. Quellen-TKÜ gem. § 100a Abs. 1 S: 2, 3 StPO ebenso wie grundsätzlich auch Verkehrsdaten, die gem. § 100g StGB abgefragt werden können sowie – ausnahmsweise – Bestandsdaten in Gestalt von dynamischen IP-Adressen, die von § 100j StPO erfasst werden.

Bestandsdaten unterfallen sonst dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art 2 Abs 1 i. V. m. Art 1 Abs. 1 GG. Da das Fernmeldegeheimnis nicht zwischen den Gesprächsteilnehmern gilt, schützt es auch nicht davor, dass ein Gesprächsteilnehmer eine Person an seinem Endgerät mithören lässt. In diesen Fällen sind vielmehr das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art 2. Abs. 1 i. V. m. Art 1 Abs. 1 GG betroffen und im Fall sogenannter Hörfallen, bei dem das gesprochene Wort eines Beschuldigten mitgehört wird, darüber hinaus das Rechtsstaatsprinzip gem. Art 19 Abs. 4 GG und der Grundsatz des fairen Verfahrens gem. Art. 20 Abs. 3 GG.

Im Fall des Auslesens von Kartenkennnummern und Gerätekennnummern von Mobiltelefonen mittels IMSI-/IMEI-Catchern sowie Standortbestimmungen mittels dieser Technologie gem. § 100i StPO ist in Ermangelung eines Kommunikationsvorgangs ebenfalls vielmehr das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art 2 Abs. 1 i. V. m. Art 1 Abs. 1 GG betroffen. Gleiches gilt für Verkehrsdatenabfragen gem. § 100g StPO, sog. Funkzellenabfragen.

Bei Online-Durchsuchungen gem. § 100b StPO ist das aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art 1 Abs. 1 GG abgeleitete Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme betroffen.

Bei der Beschlagnahme von Datenträgern im Herrschaftsbereich von Telekommunikationsanbietern bzw. von dezentral gespeicherten Daten (sog. Cloud Computing) ist nach der Rechtsprechung des BVerfG das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG einschlägig.

Email-Verkehr dagegen unterliegt dem Fernmeldegeheimnis gem. Art 10 Abs. 1 GG und kann nur unter den Bedingungen von § 100a StPO überwacht werden, soweit eine Email vom Absender zum Provider oder vom Provider zum Empfänger übermittelt oder noch bei dem Email-Provider gespeichert wird.

Totalüberwachung

Sowohl mit Blick auf die akustische Wohnraumüberwachung gem. §§ 100c – 100e StPO, die akustische Überwachung außerhalb von Wohnraum gem. § 100f StPO als auch die Observation von Beschuldigten gem. §§ 161 Abs, 1 S1., 163 Abs. 1 S. 2 StPO – mit Richtervorbehalt bewährt gem. § 163f StPO – und die Nutzung technischer Mittel im Zuge dessen gem. § 100h StPO ist – auch in Kombination mit anderen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen – ist maßgeblich beachtlich, dass eine Totalüberwachung eines Beschuldigten, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil des Betroffenen erstellt wird, unzulässig ist wegen einer Verletzung seiner Menschenwürde gem. Art 1 Abs. 1 GG im Zusammenspiel mit den jeweils verletzten Grundrechten.

Molekulargenetische Untersuchungen

Die Feststellung, Speicherung und (künftige) Verwendung von DNA-Identifizierungsmustern greifen in das aus Art 2. Abs.1 i. V. m. Art 1 Abs. 1 GG ausfließende Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Die konkrete Anwendung von § 81g StPO im Einzelfall vermag eine Verletzung zu begründen.

Insbesondere soweit keine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung Anlass einer Maßnahme gem. § 81g StPO ist, kann die Einordnung einer Straftat als von erheblicher Bedeutung eine Grundrechtsverletzung darstellen.

Gleiches gilt hinsichtlich der Prognose, der Beschuldigte werde künftig weitere Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen. Zum einen kann eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung darin bestehen, dass ein falscher Prognosemaßstab angelegt wird und das Fachgericht es ausreichen lässt, dass der Betroffene ggf. in weitere Strafverfahren verwickelt werden könnte. Zum anderen kann eine mangelhafte Begründung der Prognose die Grundrechtsverletzung auslösen, wenn keine konkreten Umstände herangezogen werden, die das Strafbarkeitsrisiko nachvollziehbar begründen.

Schließlich müssen auch alle Umstände, die nach der konkreten Maßnahme erfolgt sind, in die Prog noseentscheidung mit einbezogen werden.

Untersuchungshaft

Im Fall von Untersuchungshaft wird – wie bei jeder freiheitsentziehenden Maßnahme – in das Freiheitsgrundrecht gem. Art 2 Abs. 2 S: 2 GG eingegriffen, aus dem nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch der Beschleunigungsgrundsatz für Haftsachen im Strafrecht ausfließt.

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts wiegt der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht im Fall von Untersuchungshaft auch deutlich schwerer als im Fall der Freiheitsentziehung aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung. Es begreift die Untersuchungshaft als Sicherungsmaßnahme ohne Strafcharakter, die nur unter sehr eingeschränkten, strengen Voraussetzungen angeordnet und vollzogen werden darf. Es tritt der Praxis der Fachgerichte, die Untersuchungshaft zur Tatsühne vor rechtskräftiger Verurteilung zu nutzen, ablehnend gegenüber.

Untersuchungshaft ist nur dann verhältnismäßig, wenn ihre Bedingungen angemessen sind. Auch darf die Dauer der Untersuchungshaft nicht in einem Missverhältnis zu einer prognostisch zu ermittelnden, voraussichtlich zu verhängenden Freiheitsstrafe stehen, wobei insbesondere auch eine vorzeitige Entlassung mit abzuwägen ist. Insbesondere darf keine Vollverbüßung durch Untersuchungshaft erfolgen. Wenngleich das Bundesverfassungsgericht bislang keine absolute Höchstdauer für Untersuchungshaft festgelegt hat, soll deren Vollzug für mehr als ein Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung nur in Ausnahmefällen zulässig sein.

Aus dem Beschleunigungsgrundsatz folgt, dass das Strafverfahren umso beschleunigter zu führen ist, je länger es schon dauert. Ein maßgeblicher Faktor ist für das Bundesverfassungsgericht die Frequenz, mit der Hauptverhandlungstage stattfinden. Bei umfangreichen Verfahren soll so die durchschnittliche Durchführung eines Hauptverhandlungstags pro Woche nicht ausreichend sein. Auch eine zögerliche Bearbeitung im Revisionsverfahren vermag den Beschleunigungsgrundsatz zu verletzen.

Schließlich liegt auch eine Verletzung des Freiheitsgrundrechts gem. Art 2 Abs. 2 S: 2 GG vor, wenn fachgerichtliche Beschlüsse über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft nicht die gebotene Begründungstiefe aufweisen.

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